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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
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ihm jetzt den Weg. Vielleicht senkte sich der Tunnel dort, oder eine Treppe führte hinunter. Plötzlich kam er an eine Biegung, blieb stehen und schloss die Faust noch fester um seinen Schlagstock.
    Als er um die Ecke spähte, sah er die Laterne auf der Erde neben dem Schal der alten Frau stehen. Vorsichtig schlich er sich heran, bückte sich und griff nach dem Schal.
    Wie eine Fledermaus flatterte in diesem Augenblick von der Wand ein Wesen auf ihn und stieß dabei einen tierischen Laut aus.
    Hawkwood fuhr herum, ließ den Schal fallen und sah im Lichtschein eine Messerklinge aufblitzen. Er warf sich beiseite, das Messer zischte knapp an seinem Gesicht vorbei, und er hörte die Alte wütend grunzen, weil sie ihr Ziel verfehlt hatte. Herrgott, wie schnell sie war! Schneller, als er für möglich gehalten hätte. Doch Hass verlieh ihr zusätzliche Kraft. Schon holte sie wieder aus, stieß zu, und er fühlte, wie die rasiermesserscharfe Klinge den Oberärmel seines Mantels aufschlitzte. Blitzschnell nahm er seinen Schlagstock in die linke Hand, wehrte damit das Messer ab und griff gleichzeitig mit der Rechten nach ihrem Handgelenk. Ihr Arm war nicht dicker als der eines Kindes, aber in ihrem gertenschlanken Körper steckte eine erstaunliche Kraft. Während er mit der Rechten so fest zudrückte, dass sie das Messer fallen ließ, hob er den Schlagstock und schlug zu. Er hörte das knirschende Geräusch brechender Knochen. Ihre Schmerzensschreie hallten von den Wänden wider.
    Es war unglaublich! Die Alte gab sich noch immer nicht geschlagen. Wieder stürzte sie sich auf ihn, grapschte mit der linken Hand fluchend und spuckend, wie vom Teufel besessen nach seinem Gesicht und wollte ihm mit ihren scharfen Krallen die Augen auskratzen. Der Angriff war so heftig, dass er gegen die Wand prallte und keuchend nach Luft schnappen musste.
    Mit einer Hand klammerte sie sich an ihn, trat um sich, spuckte und stieß immer wieder nach seinen Augen. Speichel rann ihm übers Gesicht, er spürte ihren heißen, widerlich stinkenden Atem auf seinen Wangen. Irgendwie musste er dem ein Ende bereiten. Er trieb ihr den Schlagstock in den Magen, spürte, wie sie ihren Griff an seinem Kragen lockerte, rammte ihr mit aller Kraft seine Faust in die Rippen und stieß sie von sich.
    Mit einem dumpfen Geräusch prallte ihr Kopf gegen die Wand. Der Schrei erstarb ihr auf den Lippen, als ihr zierlicher Körper in sich zusammensackte. Mit verrenkten Gliedern, den Rock über den Knien und nach Luft ringend lag sie da.
    Hawkwood richtete sich auf und wischte sich den Speichel vom Kinn. »Verdammtes Miststück!«, fluchte er.
    Die verkrümmte Gestalt zu seinen Füßen stöhnte leise.
    Hawkwood steckte seinen Schlagstock wieder unter seinen Mantel und hob den Schal auf. Damit fesselte er Mutter Gants Handgelenke, ohne auf ihren gebrochenen Arm Rücksicht zu nehmen. Im matten Schein der Laterne sah er ihre vor Schmerz glasigen Augen. Jetzt war ihre Widerstandskraft endlich gebrochen. Dann griff er nach der Laterne, hielt sie hoch, packte die alte Frau am Kragen und zerrte ihren schlaffen Körper hinter sich her durch den Tunnel zurück in die Herberge.

2
    Constable Edmund Rafferty stand in der verdreckten Küche. Er kratzte sich den Bauch und betrachtete die auf dem Tisch ausgebreitete, wertvolle Diebesbeute. Gleichzeitig hatte er ein wachsames Auge auf Eli Gant, der sich von dem Hieb erholt hatte und nun an der Wand lehnte. Er wiegte sich langsam von einer Seite zur anderen und starrte finster auf die Handschellen an seinen Gelenken. In dieser misslichen Lage sah er so harmlos wie ein zu groß geratener Hundewelpe aus.
    Wieder warf Rafferty verstohlen einen Blick auf den Tisch und zuckte zusammen, als jemand hinter ihm sagte: »Wir haben vier kleine Bettler geschnappt, Ire. Was sollen wir mit denen machen?«
    Der dünne Mann mit dem Frettchengesicht war ähnlich wie Rafferty gekleidet, nur hatte er eine scharlachrote Weste anstatt einer blauen an. Mit der rechten Hand hielt er einen Knirps am Schlafittchen gepackt, sodass die Zehenspitzen des Kleinen kaum den Boden berührten. Der Junge versuchte, sich strampelnd zu befreien, wofür er sofort mit einem heftigen Klaps auf den Hinterkopf bestraft wurde.
    Rafferty musterte die Gestalt an der Tür verächtlich. »Halt ihn fest, Constable Warbeck, bis ich dir etwas anderes befehle. Sei ein guter Junge und bring diesen Schmutzfink jetzt nach draußen.«
    Der Constable tippte an seinen Hut und ging. Rafferty
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