Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
Vom Netzwerk:
griff der Constable in seine Manteltasche und zog, wie ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut, die Uhr hervor.
    »Da, nehmen Sie, Captain«, sagte er und gab Hawkwood die Uhr. »Ein schöner Chronometer, das sehe sogar ich. Kostet bestimmt ein hübsches Sümmchen.« Verschmitzt blinzelnd fügte er hinzu: »Sie haben wohl selbst ein Auge darauf geworfen, wie? Wer könnte Ihnen das verübeln? Also, ich …«
    Hawkwood drehte die Taschenuhr um und blickte auf. Sofort erlosch das Grinsen im Gesicht des Constables.
    »Ersparen Sie mir Ihre dummen Sprüche und Ihre Schmeicheleien, Rafferty. Damit können Sie die Ladys und Ihre Saufkumpane reinlegen. Bei mir zieht das nicht.«
    Rafferty errötete noch mehr und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, doch Hawkwood war mit ihm noch nicht fertig.
    »Ich warne Sie, Rafferty. Machen Sie nie wieder einen auf Langfinger, sonst hacke ich sie Ihnen ab. Ist das klar?«
    Der Constable klappte den Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus und nickte nur kläglich.
    »Gut, dann verstehen wir uns ja. Ich behalte die Uhr. Den Rest der Beute bringen Sie in die Bow Street zur Aufbewahrung. Die Sachen sind Beweismaterial. Und merken Sie sich eins: Ich mache Sie dafür verantwortlich, dass nichts davon verschwindet. Vielleicht melden sich die Besitzer und wollen ihre Sachen zurückhaben. So, und jetzt gehen Sie mir verdammt noch mal aus den Augen!«
    Hawkwood wartete, bis Rafferty und die anderen Constables mit den Festgenommenen abgezogen waren. Dann erst ließ er die Uhr aufschnappen und las die eingravierte Inschrift. Nachdenklich klappte er den Deckel wieder zu, steckte die Uhr in seine Tasche und ging.
     
    In dem Stallhof hinter dem Blind Fiddler näherte sich der Boxkampf in der 47. Runde dem Ende. Die Zuschauer sahen ihre Erwartungen erfüllt und fanden, es sei ein aufregender und fairer Kampf gewesen.
    Beide Boxer hatten ordentlich Prügel bezogen. Benbows Gesicht war nur noch eine blutige Masse. Außerdem hatte er zwei gebrochene Rippen. Schwer angeschlagen und wankend wartete er, dass ihm sein Gegner in die Fäuste lief.
    Figg war fast taub und blind von Schlägen, die er einstecken musste. Mit stark angeschwollenen Händen und Gelenken und aus jeder Pore schwitzend, schüttelte er benommen den Kopf, spuckte Blutklumpen und umkreiste Benbow schwankend.
    Beide Männer konnten sich kaum noch auf den Beinen halten.
    Das plötzliche Ende des Kampfes war für das Publikum eher enttäuschend. Nachdem Benbow taumelnd mehr zufällig einen harten Schlag in Figgs Bauch gelandet hatte, brach sein Gegner zusammen. Die Zuschauer stöhnten auf, als ein Blutschwall aus Figgs Mund quoll – ein sicheres Zeichen dafür, dass seine Lunge verletzt war. Daraufhin brach der Schiedsrichter den Kampf ab und erklärte den Mann aus Cornwall zum Sieger.
    Zunächst senkte sich Schweigen über die Menge, doch dann breitete sich aufgeregtes Geschwätz wie kleine Wellen auf einer Wasseroberfläche aus. Benbow saß auf einem Hocker, betastete mit dem Finger seine Mundhöhle, spuckte einen Zahn aus und nahm einen kräftigen Schluck aus der ihm angebotenen Brandyflasche. Ohne Mitleid sah er zu, wie der schwer angeschlagene Figg von seinen Sekundanten weggeschleppt wurde.
    Unter dem Stallgewölbe schlug der rothaarige Major seinem Kameraden auf den Rücken und schüttelte bewundernd den Kopf. »Bei Gott, Fitz, das war der beste Boxkampf, den ich je gesehen habe. Wie gut, dass ich auf den Mann aus Cornwall gesetzt habe. Jetzt bin ich zehn Guinees reicher. Verdammt, dieser Kampf hat mich durstig gemacht. Wie wär’s, wenn wir uns einen hinter die Binde gießen, ehe wir uns mit den Ladys treffen? Ich glaube, wir werden erst in einer Stunde erwartet.«
    Der Major griff unter seine Schärpe und erstarrte. »Verflucht, Fitz! Meine Taschenuhr ist weg! Ich bin bestohlen worden!«
    Natürlich wussten beide, dass der Dieb oder die Diebin längst in der sich rasch zerstreuenden Menge untergetaucht war. »Verfluchtes Diebesgesindel!«, schimpfte der Major und knirschte vor Wut und Frustration mit den Zähnen.
    Da spürten beide, dass jemand hinter ihnen stand. Als sie sich umdrehten, hielten sie den schwarz gekleideten Mann zunächst für einen Geistlichen. Doch an dem Ausdruck in den rauchgrauen Augen erkannte der rothaarige Offizier sofort, dass dieser Mann kein Priester war. Und dann sah der Major den Gegenstand in der offenen Hand des Fremden.
    »Ich fress ’nen Besen, Fitz! Sehen Sie sich das an! Der Kerl hat meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher