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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
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sich hin schimpfend davon.
    »Was ist mit Ihnen, Major?«, wollte Fitzhugh wissen. »Haben Sie etwa einen Geist gesehen?«
    Lawrence stand noch immer wie versteinert da. Dann sagte er: »Vielleicht habe ich das.« Er sah den Leutnant an und lächelte wehmütig. »Bei Gott, Fitz, was ist das Gedächtnis doch für eine launische Geliebte!«
    »Sie kennen diesen Mann also? Sie sind ihm schon mal begegnet?«
    »O ja, das kann man wohl sagen«, antwortete Lawrence leise, ehe er geistesabwesend murmelte: »Und damals waren wir beide verdammt weit weg von zu Hause.«
    Leutnant Fitzhugh wartete auf eine ausführlichere Erklärung, aber diesen Gefallen tat ihm der Major nicht. Stattdessen nickte er in Richtung Taverne: »Ich brauche jetzt einen steifen Brandy, lieber Fitz. Wir begeben uns in dieses Wirtshaus, und ich spendiere uns von meinem Wettgewinn ein oder zwei Gläschen.« Dann schlug er seinem Kameraden auf die Schulter und versprach: »Wer weiß? Vielleicht fällt mir dabei eine interessante Geschichte ein.«
     
    Aus dem Schatten eines Torbogens beobachtete Hawkwood, wie der Major und der Leutnant in die Schenke gingen. Es war ein merkwürdiges Gefühl gewesen, Lawrence wieder zu begegnen. Er hatte den Major sofort wiedererkannt und zudem die Widmung gelesen, die in den Uhrendeckel eingraviert war.
     
    Leutnant D.C. Lawrence, 40. Regiment
    Einem ritterlichen Offizier
    mit aufrichtigem Dank, Auchmuty
    Februar 1807
     
    Diese Widmung bewies, dass die Uhr nicht nur ein Zeitmesser, sondern eine Belohnung für eine Tat von außerordentlicher Tapferkeit und für den Besitzer somit wohl mehr wert war als Gold. Hawkwood war nicht entgangen, wie verstört der Major reagierte, als er den Verlust seiner Taschenuhr bemerkt hatte. Es wäre eine Schande gewesen, hätte er Constable Rafferty nicht daran gehindert, dieses Beutestück verschwinden zu lassen. Hawkwood fragte sich nicht zum ersten Mal, wie viele gestohlene Gegenstände wohl den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben wurden. Herzlich wenige, vermutete er. Leider kam es bei Männern wie Rafferty, diesen angeblichen Hütern des Gesetzes, zu häufig vor, dass sie in die eigenen Taschen arbeiteten.
    Dann kehrten Hawkwoods Gedanken zu dem Major zurück. Instinktiv hatte er sofort beschlossen, dem Offizier seine Uhr zurückzugeben. Ob er dies aus Pflichtgefühl getan hatte oder weil er glaubte, einem ehemaligen Waffenbruder diesen Dienst schuldig zu sein, wollte er nicht ergründen. Immerhin war ihre Kameradschaft von äußerst flüchtiger Dauer gewesen. Aber er hatte ohne zu zögern gehandelt.
    Warum habe ich also die Bekanntschaft geleugnet?, fragte sich Hawkwood. Diese Frage ist leicht zu beantworten. Es hat keinen Sinn, alte Wunden wieder aufzureißen, dachte er und schüttelte den Kopf. Diese zufällige Begegnung hat plötzlich das Rad der Zeit zurückgedreht. Und böse Erinnerungen hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack. Nein, was geschehen ist, ist geschehen. Ich habe jemandem einen Dienst erwiesen, wie es die Pflicht eines Beamten erfordert. Alles spielt keine Rolle. Damit ist die Sache für mich erledigt.
    Hawkwood wollte gerade weitergehen, als ihn ein diskretes Räuspern aus seinen Tagträumen riss. Neben ihm stand ein kleiner, o-beiniger Mann mit spitzer Nase. Er trug einen schwarzen Rock mit Kniehosen und unter seinem ebenfalls schwarzen Dreispitz eine altmodische gepuderte Perücke. Die blinzelnden Augen hinter der halbmondförmigen Brille verliehen ihm das Aussehen einer Eule.
    »So, so, Mr. Twigg«, grüßte ihn Hawkwood mit einem frostigen Lächeln. »Und wem verdanken wir diese unerwartete Freude?« Als ob ich das nicht wüsste!, dachte er resigniert.
    Der kleine Mann überhörte den beißenden Spott und stieß einen kummervollen Seufzer aus, ehe er ihm seine Nachricht überbrachte: »Richter Read lässt grüßen und bittet Sie, sofort zu ihm zu kommen.«
    »Er ›bittet‹, Mr.Twigg?«, entgegnete Hawkwood mit hochgezogenen Brauen. »Das bezweifle ich. Und wo erwartet er mich sofort? «
    »In seinem Amtszimmer in der Bow Street.«
    Während Ezra Twigg sprach, ließ er seinen Blick über den Hof schweifen. Mittlerweile hatte sich die Menschenmenge zerstreut, und auch der Gottesprediger hatte seine provisorische Kanzel abgebaut und steuerte zielstrebig auf die Taverne zu. Nur ein paar Händler boten noch ihre Waren feil. Neben dem Ring saß Reuben Benbow inmitten seiner Getreuen. Er ließ sich seine gebrochenen Rippen bandagieren und feierte seinen hart
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