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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
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erkämpften Sieg.
    Mit einem berechnenden Funkeln in den Augen nahm der Sekretär des Obersten Richters jetzt seine Brille ab, hauchte die Gläser an und rieb sie an seinem Rockärmel blank.
    »Sie hatten Recht, Ezra«, sagte Hawkwood und grinste. »Der Mann aus Cornwall war der bessere Kämpfer.«
    Ezra Twigg setzte seine Brille wieder auf, blinzelte kurzsichtig zu Hawkwood hoch, zuckte mit den Mundwinkeln und blickte vielsagend zu der offenen Tavernentür.
    Hawkwood klopfte dem kleinen Mann auf die Schulter. »Ist schon gut, Ezra. Wir sehen uns dann in der Bow Street.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich Hawkwood um und ging davon. Hätte er einen Blick über die Schulter geworfen, hätte er Ezra Twigg gebeugte Gestalt federnden Schritts zur Taverne eilen sehen.
     
    Während sich Hawkwood auf den Weg durch das Gewirr der Höfe und Gassen machte, wurden die Schatten länger.
    Die paar Gaslaternen hier im West End schreckten keine Straßenräuber ab, in den dunklen Durchgängen ungestraft ihr verbrecherisches Wesen zu treiben. Sogar bei helllichtem Tag wurde man hier von Huren angesprochen oder von Dieben bestohlen. Bei Nacht drohten unvorsichtigen Fußgängern in diesen finsteren Vierteln von London zusätzliche Gefahren. Sogar Polizisten und Wachmänner hatten Angst, durch diese Gassen zu patrouillieren.
    Hawkwood jedoch schritt, sich seiner Autorität bewusst, unbehelligt voran. Seine bedrohlich wirkende Haltung und die Narbe in seinem Gesicht ließ andere Männer hastig beiseite treten.
    Hawkwood kannte diese zwielichtige Gegend, aber er hatte sich an die lauernden Gefahren gewöhnt. London war eine Brutstätte für jedes nur erdenkliche Verbrechen, und als Bow Street Runner kannte er die dunkle Seite der Stadt besser, als ihm lieb war. Die schattigen, mit Abfall übersäten Gassen bargen für ihn keine Überraschungen. Trotzdem ließ er in seiner Wachsamkeit nie nach und war ständig auf der Hut.

3
    Also, Sir«, sagte Leutnant Fitzhugh, »wer war dieser Samariter?«
    Die beiden Offiziere saßen bei Kerzenlicht in einer Nische des Blind Fiddler und tranken spanischen Brandy. Der Faustkampf hatte zusätzliche Gäste angelockt, und deshalb herrschte in der Schankstube reges Treiben.
    Major Lawrence schürzte die Lippen. »Der Hausierer hatte völlig Recht, Fitz. Unser Freund Hawkwood ist gewiss kein Mann, der mit sich spaßen lässt.« Dann blickte er, in Erinnerungen versunken, in sein Glas. »Es war vor vier
Jahren … in Südamerika. Damals gehörten wir der Expedition Sam Auchmutys an und sollten Beresfords Truppen im Kampf gegen die Spanier verstärken.« Mit grimmigem Lächeln fügte er hinzu: »Und heute sind sie unsere Verbündeten. Wer hätte das gedacht!«
    Englands Versuch, die südamerikanischen Kolonien von der Herrschaft Spaniens zu befreien, war wegen schlechter Planung und Koordination jämmerlich gescheitert. Die ersten Truppen unter Führung des Brigadegenerals William Carr Beresford hatten zwar Buenos Aires erobert, doch danach hatte das Unheil seinen Lauf genommen.
    Fitzhugh konnte sehen, wie schmerzlich diese Erinnerung noch heute für den Major war, als dieser weitersprach: »Wie sich herausstellte, haben wir den Feldzug Beresfords nicht unterstützt, sondern den verdammten Narren nur gerettet! Denn als wir eintrafen, hatten sich die Spanier neu gruppiert, die Stadt zurückerobert und Beresford gefangen genommen!«
    Major Lawrence beugte sich jetzt vor, ganz in seiner Erinnerung gefangen. »Der gute alte Sam hat natürlich gewusst, dass unsere einzige Chance, Beresford zu retten, darin bestand, Montevideo einzunehmen, um die Stadt später als Druckmittel zu benutzen. Was uns auch gelungen ist, aber um welchen Preis! Diese Bastarde haben uns bereits am Strand erwartet und erbittert Widerstand geleistet. Wir haben sie natürlich zurückgedrängt, standen dann jedoch vor einer zur Festung ausgebauten Stadt, die wir nur belagern konnten. Wir haben sie von unseren Fregatten aus mit Vierundzwanzigpfündern beschossen, aber es hat vier Tage gedauert, bis wir eine Bresche schlagen und durchbrechen konnten.«
    Mittlerweile hielt der Major seine Taschenuhr in der Hand, klappte den Deckel auf und strich in Gedanken versunken über die Gravur. Dann blickte er auf, fasste sich wieder und steckte die Uhr unter die Schärpe zurück, ehe er fortfuhr:
    »Viele gute Männer haben bei der Einnahme der Festung ihr Leben verloren, aber wir haben auch eine Menge Leute gefangen genommen,
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