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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen
Autoren: Charles Dickens
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übereinander, lehnte sich in den Stuhl zurück und sah mit dem wichtigsten Ernst an die Decke.
    Diesem Vorgange zufolge hätte man nicht ohne Grund mutmaßen können, Herr Swiveller habe sich noch immer nicht ganz von den Wirkungen des von ihm angedeuteten nächtigen Sonnenlichtes erholt; wäre aber auch ein solcher Verdacht nicht durch seine Sprache veranlaßt worden, so würden jedenfalls seine in die Höhe stehenden, borstigen Haare, die trüben Augen und das gelbe Gesicht kräftiges Zeugnis gegen ihn abgelegt haben. Sein Anzug war, wie er selbst angedeutet hatte, nicht in der schönsten Ordnung, sondern sah im Gegenteil ganz so aus, als hätte der Eigentümer mit ihm zu Bett gelegen. Er bestand aus einem braunen Frack mit vielen Messingknöpfen vorn und nur einem einzigen hinten, einem hellfarbigen, gewürfelten Halstuche, einer Plaidweste, schmutzigen weißen Beinkleidern und einem sehr vermürbten Hut, dessen Hinterseite er nach vorn gekehrt hatte, um ein Loch in der Krempe zu verbergen. Die Brust seines Frackes war außen mit einer Tasche verziert, aus welcher der reinste Zipfel eines sehr großen und arg mitgenommenen Schnupftuchs heraussah; seine schmutzigen Manschetten waren so weit als möglich hervorgezogen und ruhmredig über die Ärmelaufschläge zurückgeschlagen; er hatte keine Handschuhe und trug ein gelbes spanisches Rohr, dessen Griff eine knöcherne Hand war, die an dem kleinen Finger eine Art Ring trug und eine schwarze Kugel umklammert hielt. Mit solchen persönlichen Vorzügen ausgestattet, zu denen sich noch ein starker Geruch nach Tabak und ein sehr schmieriges Äußere gesellten, lehnte sich Herr Swi
veller, die Augen an die Decke geheftet, in seinen Stuhl zurück, wobei er gelegentlich seine Stimme zu der nötigen Höhe steigerte, weil er die Gesellschaft mit einigen Takten einer ungemein gräßlichen Arie erfreuen zu müssen glaubte, dann aber wieder, in der Mitte einer Note abbrechend, in sein früheres Schweigen versank.
    Der alte Mann setzte sich in einen Stuhl und sah mit gefalteten Händen bald auf seinen Enkel, bald auf dessen seltsamen Gefährten, als fühlte er sich außerstande und aller Mittel beraubt, sich ihrer zu erwehren, weshalb er sie nach Belieben schalten und walten lassen müßte. Der junge Mann lehnte in der Nähe seines Freundes an einem Tisch, augenscheinlich gleichgültig gegen alles, was vorgegangen war; und ich – da ich die Schwierigkeit einer Vermittlung fühlte, obgleich mich der alte Mann durch Worte und Blicke dazu aufgefordert hatte – gab mir so gut wie möglich den Anschein, als betrachtete ich die zum Verkauf ausgestellten Waren, ohne mich viel um die Anwesenden zu kümmern.
    Das Schweigen war nicht von langer Dauer; denn nachdem uns Herr Swiveller mit unterschiedlichen melodischen Versicherungen, daß sein Herz im Hochland sei und daß er nur seines arabischen Rosses bedürfe, um Taten der Tapferkeit und des treuen Gehorsams zu vollbringen, gnädigst beschenkt hatte, ließ er die Augen von der Decke herabgleiten und geruhte wieder zur schlichten Prosa zurückzukehren.
    »Fritz«, sagte Herr Swiveller und hielt wieder inne, als ob ihm der Gedanke eben erst gekommen sei, worauf er in demselben hörbaren Flüstern, dessen er sich vorhin bedient hatte, fortfuhr, »ist der alte Mann freundlich?«
    »Was geht es dich an?« erwiderte sein Freund verdrießlich. 
    »Nichts; aber ich möchte es doch wissen«, versetzte Dick.
    »Es hat natürlich einen großen Wert für dich! Was kümmerts mich, ob ers ist oder nicht!«
    Durch diese Antwort, wie es schien, ermutigt, auf eine mehr allgemeine Unterhaltung auszugehen, legte es Herr Swiveller darauf an, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln.
    Er begann mit der Bemerkung, daß Sodawasser, obgleich es an und für sich etwas Gutes sei, doch sehr kalt im Magen liege, wenn man es nicht mit Ingwer oder durch den Zusatz von Branntwein würze, welch letzteren Artikel namentlich er in allen Fällen vorziehe, wenn dabei nicht der Kostenpunkt in Betracht komme. Da es niemand wagte, diese Sätze zu bestreiten, fuhr er fort zu bemerken, daß der Geruch des Tabakrauchs am allerlängsten dem menschlichen Haar anhänge und daß die jungen Gentlemen zu Westminster und Eton, wenn sie es versuchten, den Geruch gerauchter Zigarren durch das Vertilgen großer Quantitäten von Äpfeln vor ihren besorgten Angehörigen zu verbergen, gewöhnlich infolge der genannten merkwürdigen Eigenschaft ihrer Köpfe entdeckt würden; er kam sofort zu dem
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