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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen
Autoren: Charles Dickens
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das Rätsel hätte lösen können, falls ihm der Sinn danach gestanden hätte. Diese Gedanken beunruhigten ihn jedoch weiter nicht, denn Sophronia war ihm immer ein sehr heiteres, zärtliches und fürsorgliches Weib, wie denn auch Dick sich als ein treuer und häuslicher Gatte erwies, abgesehen von einem gelegentlichen Exzeß Herrn Chuckster gegenüber, zu dem sie ihn jedoch klugerweise eher ermutigte, als daß sie ihm entgegengetreten wäre. Und sie spielten viele hunderttausend Partien Cribbage miteinander. Auch müssen wir zu Dicks Ehre hinzufügen, daß er sie trotz ihres Namens Sophronia vom Anfang bis zu Ende immer Marquise titulierte und daß jedes Jahr zum Andenken an den Tag, an dem er sie in seinem Krankenzimmer gefunden hatte, Herr Chuckster zum Mittagessen kam und es immer eine Jubelfeier gab.
    Die Falschspieler Isaak List und Jowl mit ihrem treuen Verbündeten Herrn James Groves, untadeligen Andenkens, verfolgten ihr Gewerbe mit wechselndem Glück, bis das Fehlschlagen einer geistvollen Unternehmung, die in ihr Fach einschlug, sie in alle Weltgegenden zerstreute und ihrer Laufbahn durch das plötzliche Eingreifen des langen und starken Armes des Gesetzes ein Ende bereitet wurde. Diese Niederlage hatte ihren Grund in der ungelegenen Entdeckung eines neuen Spießgesellen, des jungen Friedrich Trent, der in dieser Weise, ohne es zu ahnen, das Mittel zu ihrer und seiner eigenen Bestrafung wurde.
    Was diesen jungen Mann selbst betrifft, so trieb er sich kurze Zeit im Auslande umher und lebte von seinem Witz, das heißt von dem Mißbrauch jener Fähigkeit, die, würdig angewendet, den Menschen über die Tiere erhebt, in ihrer Verderbtheit ihn aber weit unter diese sinken läßt. Nicht lange nachher wurde sein Leichnam, trotz der Entstellung und der furchtbaren Beulen, die mutmaßlich die Folgen eines vorhergegangenen Kampfes waren, von einem Fremden erkannt, der in Paris zufällig jenes Hospital besuchte, in dem die Ertrunkenen ausgestellt werden, damit sich ihre Angehörigen melden. Der Fremde behielt jedoch die Tatsache für sich, bis er nach Hause kam, und es erschien niemand, der Anspruch auf die Leiche machte oder sich um sie bekümmerte.
    Der jüngere Bruder, oder der ledige Herr, unter welcher Bezeichnung er uns bekannt ist, hätte gern den armen Schulmeister aus seinem abgeschiedenen Winkel holen und ihn zu seinem Freund und Gefährten machen wollen. Aber der bescheidene Dorflehrer war zu schüchtern, sich in die geräuschvolle Welt zu wagen, und hatte seine Wohnung auf dem alten Kirchhofe liebgewonnen. Ruhig und glücklich in seiner Schule, in dem Ort und in der Liebe von Nells kleinem Freunde, verbrachte er seine Tage in Frieden und war infolge der aufrichtigen Dankbarkeit seines Freundes – möge diese kurze Andeutung genügen – nicht länger ein armer Schulmeister.
    Dieser Freund, ledige Herr oder jüngere Bruder, wie man will, trug in seinem Herzen einen schweren Gram, aber dieser machte ihn nicht zu einem Menschenfeind oder einem trübsinnigen Einsiedler. Er zog wieder in die Welt und liebte seine Nebenmenschen. Lange, lange Zeit hindurch war es sein Hauptvergnügen, die Fußtapfen des alten Mannes und des Kindes, soweit sich diese aus der Erzählung entnehmen ließen, zu verfolgen, dort zu rasten, wo sie gerastet hatten, mitzu
fühlen, wo sie gelitten, und froh zu sein, wo man ihnen Freude gemacht hatte.
    Diejenigen, die freundlich gegen sie gewesen, entgingen seinen Nachforschungen nicht. Die Schwestern in der Pension, die sie zu Freundinnen gewählt, weil sie selbst ohne Freunde waren, Frau Jarley von dem Wachsfigurenkabinett, Codlin, Short, er fand sie alle; und glaubt mir, daß der Mann, der den Hochofen speiste, nicht vergessen blieb.
    Sobald Kits Geschichte ruchbar wurde, erhob sich eine Schar von Freunden für ihn, die ihm vielfache Angebote machten, für seine Zukunft Sorge zu tragen. Es kam ihm anfangs nicht in den Sinn, je Herrn Garlands Dienst zu verlassen; aber nach ernstlichen Vorstellungen und Beratungen von seiten seines Herrn begann er an die Möglichkeit einer solchen Veränderung, die mit der Zeit kommen könnte, zu denken. Er erhielt mit einer Schnelligkeit, die ihm fast den Atem benahm, eine gute Stelle, und zwar durch einige von den Herren, die ihn an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen für schuldig gehalten hatten und in diesem Glauben auch gegen ihn vorgegangen waren. Durch dieselbe wohlwollende Fürsorge wurde seine Mutter vor jeder Not geschützt und ganz glücklich
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