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Der Raecher

Titel: Der Raecher
Autoren: Frederick Forsyth
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Dankbarkeit der knorrigen Bauern und ihrer Kinder, die große Augen machten, wenn er Säcke mit Weizen, Mais, Milchpulver und Suppenkonzentrat in ein von der Außenwelt abgeschnittenes Dorf brachte, in dem es seit einer Woche nichts Essbares mehr gegeben hatte.
    Irgendwie hatte er das Gefühl, sich auf diese Weise für all die Wohltaten erkenntlich zu zeigen, die ihm ein gütiger Gott dadurch
erwiesen hatte, dass er ihn als Amerikaner hatte auf die Welt kommen lassen.
    Er konnte weder ein Wort Serbokroatisch, noch verstand er den bosnischen Dialekt. Er hatte keine Ahnung, wie die Gegend geografisch beschaffen war, wohin die Bergstraßen führten, wo es sicher war und wo es gefährlich werden konnte.
    John Slack stellte ihm einen der bosnischen Helfer zur Seite, einen jungen Mann namens Fadil Sulejman, der passables Schulenglisch sprach und sich als Führer, Dolmetscher und Beifahrer nützlich machte.
    Den ganzen April hindurch und in der ersten Maihälfte schickte er seinen Eltern jede Woche einen Brief oder eine Postkarte, und je nachdem, wer gerade in den Norden fuhr, um Nachschub zu holen, trafen sie mit mehr oder weniger großer Verspätung und mit einem kroatischen oder österreichischen Stempel versehen in Georgetown ein.
    In der zweiten Maiwoche war Ricky plötzlich allein und für das gesamte Lager verantwortlich. Lars, der Schwede, war auf der Fahrt nach Zagreb kurz hinter der kroatischen Grenze auf einer einsamen Bergstraße mit schwerem Motorschaden liegen geblieben, und John Slack hatte sich sofort mit einem Landcruiser auf den Weg gemacht, um den Laster wieder flottzubekommen.
    Fadil Sulejman bat Ricky um einen Gefallen.
    Wie Tausende in Travnik hatte Fadil auf der Flucht vor dem Krieg sein Zuhause verlassen müssen. Seine Familie, so erzählte er, habe auf einem Bauernhof in einem Hochtal an den Hängen der Vlasić-Bergkette gelebt. Er müsse unbedingt wissen, ob von dem Hof etwas übrig sei. War er niedergebrannt worden oder verschont geblieben? Stand er noch? Bei Kriegsausbruch habe sein Vater den Familienschmuck und andere Wertgegenstände in einer Scheune vergraben. Befanden sie sich noch da? Kurzum, er wollte zum ersten Mal seit drei Jahren sein Elternhaus aufsuchen.
    Ricky gab ihm bereitwillig frei, aber das war nicht der springende
Punkt. Da der Frühjahrsregen die unbefestigten Bergstraßen aufgeweicht hatte, war die Fahrt nur mit einem Geländewagen zu schaffen. Deshalb wollte sich Fadil den Landcruiser ausleihen.
    Ricky war hin und her gerissen. Er wollte helfen und war auch bereit, das Benzin zu bezahlen. Aber war es in den Bergen sicher? Vor nicht allzu langer Zeit hatten dort oben noch Serben patrouilliert und mit ihrer Artillerie das im Tal liegende Travnik beschossen.
    Das sei ein Jahr her, entgegnete Fadil und ließ nicht locker. Die Südhänge, wo sein Elternhaus stehe, seien inzwischen ziemlich sicher. Ricky zögerte und fragte sich, wie es wohl war, wenn man sein Zuhause verlor. Schließlich ließ er sich durch Fadils inständige Bitten erweichen und willigte ein. Unter einer Bedingung: Er wolle mitfahren.
    Die Frühlingssonne schien, und die Fahrt verlief ohne Probleme. Sie fuhren aus der Stadt hinaus und auf der Hauptstraße fünfzehn Kilometer in Richtung Donji Vakuf, dann bogen sie rechts ab.
    Die Straße kroch den Berg hinauf, verengte sich zu einem Waldweg und führte weiter bergan, gesäumt von Buchen, Eschen und Eichen in ihrem neuen Frühlingskleid. Ricky fühlte sich an den Shenandoah erinnert, an dem er einmal mit einer Schülergruppe gezeltet hatte. In den Kurven gerieten sie ins Schleudern, und er musste zugeben, dass sie es ohne Allradantrieb nicht geschafft hätten.
    Die Eichen wichen Nadelbäumen, und in fünfzehnhundert Metern Höhe gelangten sie in das Hochtal, das von der Straße weit unten nicht zu sehen war. Mitten im Tal stand das Bauernhaus. Das heißt, nur den Schornstein gab es noch, der Rest war niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht worden. Dahinter ragten alte Viehkoppeln und mehrere windschiefe Scheunen empor, die das Feuer verschont hatte. Ricky blickte Fadil an und sagte:

    »Das tut mir sehr Leid.«
    Sie stiegen neben dem verkohlten Haufen aus. Ricky wartete, während Fadil durch die feuchte Asche stapfte und hier und dort gegen einen Gegenstand trat, der von dem Haus, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, noch übrig geblieben war. Ricky folgte ihm, als er an den Koppeln und der bis zum Rand mit einer widerlichen Brühe und Regenwasser
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