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Der Raecher

Titel: Der Raecher
Autoren: Frederick Forsyth
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die Wiege gelegt worden.
    Die beiden jungen Männer saßen, den Schachtisch zwischen sich, auf dem Rasen, als eine Radiostimme aus dem Fenster des Speisesaals drang und im blasierten Akzent der BBC-Nachrichtensprecher jener Tage die Meldung verlas, dass Generaloberst Jodl in Reims die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet habe. Man schrieb den 7. Mai 1945.
     
    Der Krieg in Europa war vorbei. Der Amerikaner und der Kanadier gedachten all der Freunde, die nicht heimkehren würden, und jeder sollte sich später daran erinnern, dass er an diesem Tag das letzte Mal in der Öffentlichkeit geweint hatte.
    Eine Woche später schieden sie voneinander und kehrten in ihr jeweiliges Land zurück. Doch in dem Genesungsheim an der englischen Küste hatten sie eine Freundschaft fürs Leben geschlossen.
    Es war ein anderes Kanada, in das Steve Edmond heimkehrte, und er ein anderer Mann, ein hoch dekorierter Kriegsheld, der eine boomende Wirtschaft vorfand. Er stammte aus dem Sudbury-Becken, und dorthin kehrte er auch zurück. Sein Vater war Bergarbeiter gewesen wie davor schon sein Großvater. Seit 1885 bauten die Kanadier um Sudbury Kupfer und Nickel ab, und die Edmonds waren fast immer dabei gewesen.
    Steve Edmond bekam von der Air Force eine hübsche Stange Geld und verwendete sie dazu, als Erster seiner Familie aufs College zu gehen. Er schrieb sich, keineswegs überraschend, für das Fach Bergbautechnik ein und belegte zusätzlich Hüttenkunde. 1948 schloss er in beiden Fächern als einer der Besten seines Jahrgangs ab und wurde von der INCO, der International Nickel Company und wichtigsten Arbeitgeberin im Becken, mit Handkuss genommen.
    Die 1902 gegründete INCO hatte maßgeblich dazu beigetragen,
aus Kanada den größten Nickelproduzenten der Welt zu machen. Und das Herz des Unternehmens lag in der riesigen Lagerstätte bei Sudbury in Ontario. Steve Edmond begann als Managementtrainee.
    Er wäre wohl Minenmanager geblieben und hätte weiter in einem komfortablen, aber firmeneigenen Holzhaus in einem Vorort von Sudbury gelebt, hätte ihm sein rastloser Geist nicht unentwegt eingeflüstert, dass es noch einen »besseren Weg« geben müsse.
    Auf dem College hatte er gelernt, dass das wichtige Nickelerz Pentlandit nicht nur Nickel, sondern auch andere Elemente enthielt wie Platin, Palladium, Iridium, Ruthenium, Rhodium, Tellur, Selen, Kobalt, Silber und Gold. Er begann, sich mit den Seltenerdmetallen, ihrer Anwendung und möglichen Vermarktung zu beschäftigen. Kein anderer machte sich diese Mühe, denn ihre Gewinnung war wegen ihrer geringen Konzentration zu unrentabel, sodass sie auf den Abraumhalden landeten. Nur sehr wenige wussten, was Seltenerdmetalle waren.
    Fast alle großen Vermögen sind einer bahnbrechenden Idee und dem Mut zu verdanken, sie in die Tat umzusetzen. Auch harte Arbeit und Glück sind nicht von Nachteil. Steve Edmonds bahnbrechende Idee bestand darin, ins Labor zurückzukehren, während die anderen jungen Bergbaumanager den spärlichen Ertrag ihrer Arbeit einfach vertranken. Die Lösung, die er präsentierte, war ein Verfahren namens »saure Drucklaugung«.
    Im Wesentlichen ging es darum, die sehr geringen Bestandteile an seltenen Metallen aus der Schlacke herauszulösen und aufzubereiten.
    Wäre er damit zur INCO gegangen, hätte man ihm auf die Schulter geklopft und allenfalls noch ein opulentes Abendessen spendiert. Stattdessen kündigte er, löste eine Eisenbahnkarte dritter Klasse nach Toronto und suchte dort das Patentamt auf. Er war dreißig und auf dem Weg nach oben.
    Natürlich musste er einen Kredit aufnehmen, wenn auch keinen
sehr großen, denn das, was er im Sinn hatte, kostete nicht viel. Wenn das Nickelerz Pentlandit völlig oder zumindest so weit abgebaut war, dass eine weitere Förderung unwirtschaftlich erschien, hinterließen die Bergbaugesellschaften riesige Abraumhalden. Diese Erzabfälle bestanden aus Schutt, den keiner wollte - keiner außer Steve Edmond. Er kaufte ihn für ein Butterbrot, gründete die Edmond Metals, kurz »Ems« genannt und an der Torontoer Börse schlicht als »Emmys« bekannt, und der Kurs schoss nach oben. Er verkaufte nie, widerstand allen Überredungsversuchen und ließ sich auf keines der riskanten Geschäfte ein, die ihm Banken und Finanzberater vorschlugen. Auf diese Weise vermied er jeden Medienrummel, blieb von platzenden Spekulationsblasen und Börsenkrächen verschont. Mit vierzig war er Multimillionär, und 1985, mit fünfundsechzig, umgab ihn die
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