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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag
Autoren: Harry Kemelman
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Ellsworth Estates, E. J. Land Corporation …»
    «E. J. Land Corporation?», wiederholte Miriam.
    Maltzman nickte. «Ganz recht, die Firma, der das Grundstück bei der Synagoge gehört, das wir für die neue Religionsschule erwerben wollten. Ich habe an die E. J. Land Corporation geschrieben und mich nach dem Preis des Grundstücks erkundigt. Aber eine Antwort habe ich nicht bekommen. Nach einer Weile habe ich deshalb meinen guten Freund Larry Gore von der Barnard’s Crossing Trust gefragt, weil man an die E. J. Land Corporation per Adresse dieser Bank schreiben muss. Ich habe ihn gefragt, was los ist. Und er sagt mir, das Grundstück ist nicht zu verkaufen. Wozu hat er es dann aber? Ist Jordon so wild drauf, Steuern zu bezahlen? Will er’s vielleicht beackern?»
    «Vielleicht will er bauen», meinte der Rabbi gutmütig.
    «Praktisch unmittelbar neben der Synagoge? Nein. Er ist zwar verrückt, aber nicht so verrückt. Außerdem hat er seit zwanzig Jahren nichts mehr gebaut. Damals hat er ein paar Häuser gebaut – er ist Architekt oder irgendein Ingenieur –, und die hat er genau zum richtigen Zeitpunkt verkauft. Dann hat er ’ne Menge Grundstücke gekauft, auf denen er ’ne Menge Häuser bauen wollte, riesige Apartment-Gebäude. Aber dann wurde er krank und machte nicht weiter. Na, und ungefähr zu der Zeit hat der Grundstückswert angefangen zu steigen. Die Brücke und der Tunnel waren gebaut worden, man konnte innerhalb von dreißig, vierzig Minuten in Boston sein, und die Stadt wurde ein Wohnort fürs ganze Jahr statt lediglich ein Sommererholungsort für die Reichen. Die Grundstückspreise stiegen weiter, und er hatte ja endlos viele davon. Manche könnten jetzt für den zehnfachen Preis weiterverkauft werden. Er ist ein Spinner und ein Verrückter, aber …»
    «Es klingt aber nicht, als ob er verrückt wäre», bemerkte Miriam.
    «O ja, in Geldangelegenheiten ist er clever. Aber verrückt ist er trotzdem.» Maltzman lachte. «Letztes Jahr, als wir für den United Appeal sammelten, zog ich seinen Namen. Er wohnt in dieser alten Arche von Haus, wo die Fenster vernagelt sind …»
    «Auf einem Hügel?», fragte Miriam.
    «Ganz recht. Ein riesiges Grundstück mit einem Eisenzaun rings herum.»
    «Die Kinder behaupten, dass es dort spukt», sagte Miriam. «Weißt du noch, David, wie wir da vorbeigefahren sind? Aber es ist doch alles mit Brettern vernagelt. Ich dachte, es wohnt niemand mehr dort.»
    Maltzman nickte. «Das kommt von den Bäumen, aber wenn man die Einfahrt raufkommt, sieht man, dass nur die beiden oberen Stockwerke vernagelt sind. Ich fuhr also hin und klingelte. Von drinnen rief jemand: ‹Herein, herein!› Ich stieß die Tür auf und kam in einen riesigen Raum, beleuchtet nur von einer Deckenlampe mit einer Fünfundzwanzig-Watt-Birne. Eine Stimme fragt: ‹Was ist, junger Mann? Was wollen Sie? Raus damit, junger Mann! Was wollen Sie von mir?› Na ja, ich sah mich um, konnte aber niemanden entdecken, und einen Moment lang dachte ich, die Stimme wäre aus einem Lautsprecher gekommen, wie in diesen Spionagefilmen. Aber dann sah ich zwei Füße in der Luft, und das war er. Er stand in der Zimmerecke auf dem Kopf! Also, wenn das nicht verrückt ist – ich weiß wirklich nicht!»
    «Lebt er allein?», fragte der Rabbi.
    «Hm-hm. Er hat wahrscheinlich eine Frau, die jeden Tag kommt und für ihn kocht und putzt.»
    «Er hat keine Familie?»
    Maltzman schüttelte den Kopf. «Soweit ich gehört habe, nein.»
    «Da haben wir’s», sagte der Rabbi. «Er hat niemand, dem er Rechenschaft schuldig ist, also braucht er nicht zu fürchten, dass er jemanden in Verlegenheit bringt. Er kann sagen, was er will, er kann tragen, was er will, und kann auf dem Kopf stehen, wann er will. Armer Kerl! Er tut mir Leid.»
    «Aber wenn er ein Antisemit ist, David …», meinte Miriam.
    «Was soll das?», höhnte Maltzman. «Wollen Sie ihm die andere Wange reichen?»
    «Ganz und gar nicht», erwiderte der Rabbi. «Wenn es sich um Antisemitismus handelt, ist es irrational, und manchmal, wenn niemand da ist, der ihm widerspricht oder dem er es erklären muss, setzt sich ein irrationaler Gedanke in einem Menschen fest, und dann ist es, als wäre er vom Teufel besessen. Ein Mensch sollte nie ganz allein leben. Jawohl, ich würde sagen, er verdient Mitleid.»
    «Sie meinen, wenn er Frau oder Kinder hätte, müsste er sich anständig benehmen? Mag sein. Aber ich habe immer die Erfahrung gemacht, ein Antisemit ist ein
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