Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Uwe. „Ich habe die Berichte so oft studiert, daß ich fast jede Einzelheit im Gedächtnis habe.
    Wenige Jahrzehnte nach Gagarins erster Raumfahrt begannen sich Wissenschaftler verschiedener Gebiete für die Frage zu interessieren, wie man einen fremden Planeten so umgestaltet, daß Menschen unserer Erde darauf leben können, normal, verstehst du, ohne Schutzanzug, Druckschleusen und so weiter. Man hatte dabei vor allem die Nachbarplaneten Mars und Venus im Auge, und die Fragestellung war natürlich rein theoretischer Art, weil auf ihnen mit unseren damaligen Mitteln an die Verwirklichung eines solchen Vorhabens überhaupt nicht zu denken war. Auch heute noch nicht.
    Im Wirbel der Ereignisse, die endlich zur Überwindung der alten, menschenfeindlichen Ausbeuterordnung auf der ganzen Erde führten, wurde diese Frage fast völlig vergessen, aber dann, als die aktuellen Aufgaben gelöst waren, als Hunger und Not verschwanden und die dringendsten materiellen Bedürfnisse der Menschheit befriedigt werden konnten, als alle schöpferischen Energien sich auf die Zukunft richteten, tauchte diese Frage wie Phönix aus der Asche wieder auf und gewann immer mehr Anhänger. Trotzdem blieb sie eine theoretische Frage.
    Da brachte vor etwas mehr als vierzig Jahren, also ungefähr um die Zeit, als wir geboren wurden, eine automatische Sonde Informationen über einen Planeten der Proxima Centauri, unserer Nachbarsonne im All, auf dem Bedingungen herrschten, wie sie für die Urzeit der Erde angenommen werden: Stickstoff-Kohlendioxid-Atmosphäre, etwas höhere Durchschnittswerte in Druck und Temperatur als bei uns, ungefähr das gleiche Verhältnis von Land und Meer auf der Oberfläche, etwas schnellere Rotation.
    Du kannst dir kaum vorstellen, was da losging. Ich habe die damaligen Zeitungen gelesen. Auch damals war in der Presse die überlieferte Lust an der Sensation noch nicht ganz überwunden. Die Schwester im All! Das Neuland unserer Zeit! Wann startet die Flotte des neuen Kolumbus? Das waren etwa die Überschriften. Unser Problem war einige Monate lang das meistdiskutierte in der Welt.
    Aber dann setzten sich sachliche Stimmen durch. Für einen Flug zur Proxima Centauri, knapp viereinhalb Lichtjahre entfernt, braucht man Annihilationsantrieb. Der dafür notwendige Antistoff darf aber, seiner Gefährlichkeit wegen, nicht auf Erde und Mond produziert werden, sondern nur in erdfernen Raumstationen, also unter unerhörtem Aufwand. Und die derzeitige Produktion reichte gerade aus, alle paar Jahre eine Sonde in solche Entfernungen zu entsenden…“
    „Also wurde nichts daraus?“ fragte Irina. „Aber dieses Raumschiff RELAIS…?“
    „Ganz recht. Und das kam so: Unter den Wissenschaftlern, die damit beauftragt waren, die Meßergebnisse jener automatischen Sonde auszuwerten, waren auch ein junger Biologe namens Jochen Laurentz und seine Freundin…“
    „Laurentz?“ unterbrach Irina. „War das nicht nachher der Kommandant dieses Projekts?“
    „Ja, das stimmt. – Also die beiden erkannten bald, daß man auf jenem Planeten mit Hilfe einer biologischen Explosion an das theoretisch anvisierte Ziel gelangen könnte.“
    „Jetzt muß ich dich aber wirklich mal unterbrechen“, meldete sich Irina. „Das mußt du mir näher erklären!“
    Uwe zuckte mit den Schultern. „Ich bin kein Biologe. Es handelt sich, soweit ich verstanden habe, darum, ein sprunghaftes Anwachsen der Vegetation im Meer und auf dem Festland zu erreichen, damit durch die Assimilation der Pflanzen das Kohlendioxid der Atmosphäre in Sauerstoff und Kohlenstoff aufgespalten wird. Man braucht ja heute nicht mehr zu warten, bis die jeweils geeignetsten Pflanzenarten durch natürliche Auslese entstanden oder mühsam herangezüchtet sind, sondern kann sie durch gezielte Änderung der DNS in den Keimzellen mit allen gewünschten Eigenschaften ausstatten – wenigstens im Prinzip.
    Jochen Laurentz kam zu dem Schluß, daß sich der Umbau der Atmosphäre jenes Planeten auf diese Weise in wenigen Jahrhunderten vollziehen lassen müsse. Von ein paar Freunden unterstützt, arbeitete er eine Konzeption aus, richtete Eingaben an den Weltrat, wandte sich an bekannte Wissenschaftler. Viele unterstützten ihn. Die Astronomen versprachen sich von einer ständigen Station auf jenem Planeten eine Meßbasis von 4,3 Lichtjahren Länge, die galaktische und extragalaktische Messungen von bisher unerreichbarer Genauigkeit ermöglichen würde. Die Astrophysiker waren an einer solchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher