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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Zustand der anderen, folgte ihr dann aber willig in die gemeinsame Schlafkammer. Dort streckte er sich auf sein Bett, gähnte herzhaft und war im nächsten Augenblick eingeschlafen.
    Irina legte sich neben Uwe und nahm sich vor, zwanzig Minuten zu ruhen. Sie fühlte sich nun innerlich gelöst, aber zugleich körperlich matt und erschöpft. Die Glieder waren ihr schwer wie Blei.
    Doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, spürte sie eine unangenehme, übersteigerte Wachheit. Das Glück über Uwes Erweckung hatte für eine kurze Zeit alles andere verdrängt, aber nun meldeten sich die Sorgen wieder und wollten sich nicht schlafen schicken lassen.
    Sie versuchte, sich zum klaren Denken zu zwingen. Aber wie das Gestrüpp der Gedanken ordnen, wenn die meisten doch nur verschwommene Befürchtungen waren? Verschwommene Befürchtungen und mangelhafte Sachkenntnis, was die Raumfahrt betraf – keine beneidenswerte Situation!
    Aber immerhin – zwei, drei Fälle ließen sich wohl unterscheiden, wenn man sich’s recht überlegte.
    Fall eins: Die Ursache für die vorfristige Erweckung lag außerhalb des Raumschiffes. In diesem Fall, das wußte sie, konnte keine akute Gefahr bestehen, denn darauf würde die Steuerautomatik reagieren. Der Bremsdruck, der ihrem Körper Gewicht verlieh, war aber normal. Und bei einer nicht akuten Ursache spielten wohl die anderthalb Stunden bis zur Übernahme des Raumschiffs durch den Kommandanten keine Rolle – nach zehn Jahren Reisezeit!
    Fall eins war also für sie – oder besser für ihr Verhalten – uninteressant.
    Fall zwei: Die Ursachen lagen im Raumschiff, aber nicht im Zustand der Besatzung. Durfte sie hier mit der gleichen Entschiedenheit behaupten, was ihr im Fall eins logisch erschien? Konnte nicht irgendeine langsam vor sich gehende gefährliche Veränderung im technischen Bereich den Zentralrechner veranlaßt haben, den Weckruf früher abzugeben? Und konnte es nicht sein, daß gerade jetzt Entscheidendes versäumt wurde? Irina erhob sich und ging unruhig auf und ab.
    Aber andererseits – die lange Zeit! Und was hätte Uwe wohl in den anderthalb Stunden, die er jetzt verschlief, ausrichten können – allein und im Zustand schneller Ermüdbarkeit? Nein, es war wohl doch richtig, wenn er sich später, ausgeruht und unterstützt von den anderen, mit der Sache befaßte.
    Blieb der Fall drei: Die Ursache lag doch im Befinden eines Besatzungsmitgliedes. Gerade dann mußte aber die Ruhe nach der Erweckung unbedingt eingehalten werden, gerade dann konnte Überbelastung schädlich sein. Ja, sie hatte sich so zu verhalten, als sei der Fall drei Realität. Und wenn sich hinterher herausstellen sollte, daß das nicht zutraf – um so besser.
    Irina horchte noch einmal auf Uwes Atemzüge. Dann ging sie wieder in die Zentrale und setzte sich an ihren medizinischen Arbeitsplatz.
    Und was konnte sie tun? Noch einmal und immer wieder alles kontrollieren, so lange, bis sich ein winziger Anhaltspunkt ergab – oder bis die anderen soweit waren, daß sie das Problem zu lösen vermochten.
    Unablässig kontrollierte sie die Meßwerte, verglich, prüfte. Sie brauchte schon nicht mehr zu überlegen, was die Signale bedeuteten; das Augenzwinkern der Lämpchen, der Tanz der Lichtpunkte auf den Skalen, das Aufbäumen der Kurven auf den Schirmen waren für sie schon verständlich wie Worte einer zweiten Muttersprache.
    Die Anspannung ließ sie ihre Erschöpfung gar nicht spüren, und erst als sie sich erhob, um Michael Kolks Erweckung zu überwachen, bemerkte sie erstaunt, daß sie taumelte.
    Einen Augenblick zögerte sie, dann nahm sie ein Anregungsmittel, obwohl sie wußte, daß das in ihrem Zustand nicht unbedenklich war.
    „Ist der Chef in Ordnung?“ fragte Michael als erstes, nachdem er zu sich gekommen war.
    Irina mußte lächeln über soviel Anhänglichkeit, doch zugleich war sie gerührt und ein bißchen stolz. Dann aber, als sie allein war, fielen wieder die Fragen über sie her.
    Erika Braune, die als nächste an der Reihe war, fragte natürlich zuerst nach ihrem Mann, und Irina hatte Mühe, ihre Besorgnis zu verbergen, denn Erich war nun der einzige, der noch in Anabiose lag, und wenn die Ursache für das verfrühte Wecken medizinischer Natur war, dann würde sie wahrscheinlich bei ihm zu suchen sein.
    Es gelang ihr, sich nichts anmerken zu lassen, aber sie war danach so erschöpft, daß sie meinte, kein Glied mehr rühren zu können. Als dann Erich Braune erweckt wurde, war sie kaum noch in
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