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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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des automatisch gesteuerten Fluges nicht möglich ist, hat dieses System relativen Wert. Es zeigt aber auch den Fünfundzwanzigsten an.
    Das dritte System besteht in der Messung des Abstandes vom Ziel. Es tritt erst in Zielnähe in Kraft, vermittelt aber die letzten Endes für den weiteren Flug entscheidenden Daten. Da die Strahlungsstärke abhängig ist vom Quadrat der Entfernung, kann man aus ihrer Messung die Entfernung des Ziels errechnen, vorausgesetzt, man kennt die Strahlungsstärke des Ziels, was bei der Proxima der Fall ist. Aus den Berechnungen ergibt sich nun ein Abstand vom Ziel, den wir erst am Achtundzwanzigsten haben dürften. Die Frage ist, welche Erklärungen sind möglich, und wie kann man entscheiden, welche Erklärung richtig ist?“
    „Warte mal“, unterbrach ihn Uwe. „Gibt es dazu Fragen? Ihr müßt entschuldigen, wenn wir euch das alles ein bißchen schulmäßig darlegen, aber ihr seid ja nun mal Neulinge auf diesem Gebiet.“
    Michael wartete, ob jemand sich meldete, und fuhr dann fort: „Es gibt im wesentlichen zwei Möglichkeiten. Entweder wir haben heute, am Fünfundzwanzigsten, schon den programmierten Standort vom Achtundzwanzigsten, dann müßten beschleunigende äußere Faktoren unseren Flug beeinflußt haben oder noch beeinflussen, und es wäre zu untersuchen, welche. Oder aber wir haben tatsächlich erst den programmierten Standort vom Fünfundzwanzigsten, dann müßte irgend etwas die Strahlungsmessungen beeinflussen, und es wäre wiederum zu untersuchen, was. Eine Entscheidung darüber kann nur durch eine genaue Standortmessung herbeigeführt werden, und das ist problematisch.“
    Michael räusperte sich, er hatte vom vielen Sprechen eine trockene Kehle bekommen. Erika Braune benutzte die Pause, um zu fragen: „Was ist denn daran problematisch – bei den Zeiten und Entfernungen, mit denen wir es zu tun haben?“
    Aber Michael war in seinem Element, er ließ sich nicht von seinem Konzept abbringen und war wohl auch zu schwerfällig, die Antwort auf eine Nebenfrage geschickt einzuflechten. Er fuhr einfach fort:
    „Zur Standortmessung benutzen wir am besten den zweitletzten Planeten der Proxima Centauri, dessen Bahn gut bekannt ist und der sich jetzt etwa eine Lichtstunde von uns entfernt befindet. Wir können ihn leicht mit Radar erreichen. Zugleich müssen wir aber den Bremsantrieb stoppen, und zwar zweimal für je etwa fünfzehn Minuten, weil der Photonenstrahl mit der interstellaren Materie ständig reagiert und dabei Strahlungen über das ganze Spektrum erzeugt, von denen ein Teil Interferenzerscheinungen im Radarstrahl hervorrufen könnte. Bei der Gelegenheit können wir zugleich die Genauigkeit der Messungen der Bestrahlungsstärke kontrollieren. Die Problematik besteht darin, daß wir als Folge dieser zweimaligen Unterbrechung ein völlig neues Programm für den letzten Teil des Fluges erarbeiten müssen, wodurch ein Mitglied der Besatzung, nämlich ich, vorläufig für den normalen Dienst ausfällt. Ja, das war’s.“
    Michael lehnte sich aufatmend zurück. Uwe spielte lächelnd mit dem Schreibstift und nickte ihm anerkennend zu, Erika Braune war dem Vortrag aufmerksam gefolgt und notierte nun etwas, aber Erich Braune und Irina sahen verwirrt aus.
    Erich Braun kratzte sich schließlich den Kopf und sagte: „Also, für mich ist das alles ziemlich unklar. Wegen zwei Viertelstunden ein ganz neues Programm? Versteh ich nicht!“
    „Ich will ein wenig helfen“, sagte Uwe, „weil es notwendig ist, daß wir alle verstehen, woran wir sind. Mit der Raumfahrt ist es wie mit der Mathematik: Das unendlich Große und das unendlich Kleine stehen in enger Beziehung zueinander. Was ist eine Minute im Vergleich zu zehn Jahren Reisezeit? Wenn wir auf der Erde die Treppe hinuntergehen und auf die Straße gehen, vergeht – sagen wir – eine Minute. In der gleichen Zeit legen wir bei unserer jetzigen Geschwindigkeit von etwa 10000 km/s anderthalbmal den Weg von der Erde zum Mond zurück. Oder in den fraglichen dreißig Minuten mehr als ein Zehntel der Entfernung Sonne-Erde. Ich glaube, das verdeutlicht das Problem. Ich muß aber noch über etwas anderes sprechen, das in mittelbarem Zusammenhang damit steht.“ Er blickte auf seinen Block und fuhr fort: „Wir sind jetzt etwa sechs Milliarden Kilometer von unserem Ziel entfernt, und wir werden es in etwa zwölf Tagen erreichen. Wir wissen noch nicht, welche Probleme wir bis dahin zu lösen haben. Und wir müssen diese Probleme lösen
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