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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber
Autoren: Petra Hammesfahr
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ersten Sohn im Arm, leider nur für ein paar Minuten. Pauls Ältester kam mit einem Herzfehler auf die Welt. Doch der war rasch behoben, und Antonia war ein knappes Jahr später erneut schwanger.
    Illa von Burg schenkte Toni nach den beiden Söhnen noch eine Tochter. Bruno Kleu schwängerte das zweite Mädchen aus Lohberg, bekam den zweiten unehelichen Sohn und von seinem Vater eine anständige Tracht Prügel, die ihn vorübergehend zur Vernunft brachte.
    Richard Kreßmann überzeugte Thea Ahlsen, die sich Hoffnungen auf den jungen Apotheker Erich Jensen gemachthatte, dass fünfzehnhundert Morgen Land ein paar Schnäpse zu viel ausglichen und entschieden mehr Wert hatten als eine Apotheke. Sechs Wochen nach der Trauung verkündete Thea im ganzen Dorf, sie sei schwanger, es hätte schon in der Hochzeitsnacht funktioniert, was sich allerdings als Irrtum erwies.
    Jakob und Trude Schlösser hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Jakob überschritt die vierzig, auch Trude wurde allmählich zu alt. Und dann lag er im Brutkasten, der ersehnte Erbe für den Hof. Benjamin ließen sie ihn taufen, weil er so winzig war. Doch wenn sie von ihm sprachen, nannten sie ihn nur Ben. Es hörte sich kräftiger an.
    Trude fuhr täglich mit dem Auto zur Klinik, damals fuhr sie noch selbst. Sie lieferte die Muttermilch ab, die er über eine Magensonde eingeflößt bekam. Eine geschlagene Stunde stand sie jedes Mal neben dem Inkubator, betrachtete das erbärmliche Bündel Mensch, dessen Knöchlein sie durch die dünne Haut zu sehen glaubte, weinte ein paar Tränen und betete, der Himmel möge ein Einsehen haben, ihn überleben und wachsen lassen. Und irgendwo wurden die Gebete erhört.
    Als sie ihn nach vier Monaten endlich nach Hause holen durften, wog er fünf Pfund. Die Finger und das Gesicht waren noch so durchscheinend, dass niemand es wagte, in seiner Nähe tief Luft zu holen. Aber die Ärzte sagten, er sei über den Berg. Auch Freunde und Bekannte machten Mut.
    Thea Kreßmann, selbst gerade erst Mutter geworden, brachte beim ersten Besuch ihren Albert zum Vergleich mit. Mit seinen sechs Wochen war Theas und Richards Sohn doppelt so schwer wie Ben. Thea war mehr als stolz und überzeugt, es sei ein Ammenmärchen, dass ein bisschen Alkohol den Kindern schaden würde.
    Antonia Lässler erinnerte Trude an die Herzoperation ihres Ältesten, der sich danach prächtig entwickelt hatte. Bruno Kleu war noch nicht verheiratet, seine Mutter kam, um zu gratulieren. Illa von Burg hielt sich etwas zurück, kam wegen ihrer lebhaften Kinder nicht gleich in den ersten Tagen. Auch die Männer kamen nicht ins Haus, sie ließen sich in Ruhpolds Schenke von Jakob berichten, wie es mit Ben von Tag zu Tag aufwärtsging.
    1973 war Jakob noch Mitglied im Schützenverein, spielte manchmal am Sonntagnachmittag in der Alte-Herren-Mannschaft Fußball. Erich Jensen und Heinz Lukka bedrängten ihn gleichermaßen, der SPD oder der CDU, auf jeden Fall aber dem Gemeinderat beizutreten. Die kommunale Neugliederung stand bevor, dem Dorf drohte die Eingemeindung in die Stadt Lohberg. Der Apotheker und der Rechtsanwalt meinten, man könne das vielleicht verhindern. Doch Jakob hatte keinen Sinn für die Politik und das Gemenge hinter den Fassaden.
    Er hatte auch keine Zeit. Zwar lebten seine Eltern noch, aber sein Vater war dreiundachtzig. Das sah ihm allerdings niemand an. Groß war er, der alte Schlösser, fast so groß, wie sein Enkel später einmal werden sollte. In jungen Jahren war er auch von ebenso massiger Gestalt gewesen. Das Alter hatte ihn hager gemacht und zäh. Er fuhr noch regelmäßig den Traktor und erledigte die Arbeit in den Ställen fast alleine, bis ihn im März 75 der Schlag traf.
    Auch Jakobs Mutter war trotz ihres hohen Alters noch sehr rüstig. Sie führte den Haushalt, versorgte die Hühner, kümmerte sich um die beiden Enkeltöchter Anita und Bärbel. Sie nahm auch den Säugling in ihre Obhut, damit Trude weiterhin bei der Feldarbeit helfen konnte.
    Unter der Fürsorge seiner Großmutter gedieh Ben,dass es eine Freude war. Zur Kirmes im Mai 74 saß er schon halbwegs aufrecht im Kinderwagen, den Rücken mit einigen Kissen gestützt, aber mit rosigen Wangen und prallen Fäusten. Trudes Augen leuchteten vor Stolz, als sie ihn über den Festplatz schob und auf jedem Meter angesprochen wurde.
    An einer der Buden kaufte sie eine bunte Rassel, die ein Alpenläuten erzeugte, wenn man sie kräftig schüttelte. Schütteln mochte Ben sie nicht, der
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