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Der Puppen-Galgen

Der Puppen-Galgen

Titel: Der Puppen-Galgen
Autoren: Jason Dark
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entdeckte die Fratzen. Sah die Mäuler, die Münder, die weit geöffnet waren.
    Sie sah die brennenden Kreuze, die den Flammen ebenfalls nicht hatten trotzen können. Die Glut fand keinen Widerstand. Es gab kein Wasser, das sie löschte.
    Die Glut wälzte sich über das flache Land, verbrannte Wälder und Felder und tötete die dort lebenden Tiere.
    Das Feuer war die Allmacht. Es vernichtete. Es räumte auf. Es war das Jüngste Gericht, das durch die Welt toste und sich einfach nicht aufhalten ließ.
    Es zerstörte das Leben, es wollte den Tod. Himmelhohe Rauchwolken begleiteten den prasselnden Feuersturm, der sich in alle Richtungen ausbreitete. Er schickte den Tod, die Vernichtung, und es stellte sich niemand dieser Feuersbrunst entgegen.
    Der Feuersturm wurde von einem gewaltigen Brausen begleitet. Ein Geräusch, das in den Ohren der Frau wie die schaurigste Musik klang.
    Sie sah nur die imaginären Flammen, aber sie hörte nichts. Sie atmete keinen Rauch ein, und sie litt nicht unter der Hitze.
    Und doch existierte Leben in dieser Feuerhölle!
    Melle sah eine Bewegung. Zuerst nur schemenhaft, so daß sich die Gestalt so gut wie nicht vor den tanzenden Flammen abhob. Aber sie kam näher, und sie trat aus dem Feuer hervor. Hinein in den Sichtbereich der Frau.
    Irielle erkannte, daß es ebenfalls eine Frau war, die durch die Flammen schritt, als wären diese kaum vorhanden. Sie fand ihren Weg mit einer schon unbeschreiblichen Sicherheit, ohne sich um das Feuer zu kümmern.
    Und das Feuer kümmerte sich im Gegenzug auch nicht um sie. Es ließ sie laufen, es gab ihr sogar so etwas wie einen Schutz.
    Näher und näher kam die Frau. Sie ging gelassen, setzte ein Bein vor das andere und behielt dabei ihr Tempo ein. Die Frau wußte genau, was sie wollte, und sie ließ sich von den heißen Feuerarmen auch nicht beirren.
    So konnte nur eine Herrin der Flammen reagieren. Ein Feuerengel, der die brennende Welt für sich einnahm und immer besser zu sehen war.
    Sie kam näher, und Irielle sah den schlanken Körper, der von einem weißen Kleid mit Rüschen und Borden bedeckt war, wie ein sehr kostbares Totenhemd.
    Die Gestalt veränderte ihre Armbewegungen. Während sie lief, drückte sie ihren Körper zurück, legte den Kopf in den Nacken und schaute so in die Höhe, denn auch über ihr stand der Himmel in Flammen.
    Sie sah hoch, sie beherrschte das Feuer. Sie lachte sogar, aber Irielle hörte nichts.
    Die Scheintote erlebte das Näherkommen der Fremden, die ihr nicht mehr so fremd war.
    Nein, sie kannte die Person, sie kannte sie sogar sehr gut. Das war sie selbst. Genau, sie selbst. Es gab keine andere Person. Sie selbst war durch die Flammen geschritten, und sie selbst hatte das Feuer beherrscht. Es war noch da, aber es war auch dabei, sich zurückzuziehen, und nur Irielle selbst blieb.
    Sie beugte sich vor. Sie winkte ihrem Ebenbild zu. Sie lächelte, und die Scheintote glaubte sogar, eine Botschaft darin lesen zu können.
    Es wird gut. Es wird alles gut… Noch einmal das Lächeln.
    Dann war Melles Ebenbild verschwunden. Es gab kein Bild mehr, das von ihrer Psyche gemalt worden wäre. Die verdammte, widerliche und tintige Schwärze in der Totenkiste blieb jedoch.
    Vorbei waren die Bilder. Hineingelaufen in den Fluß der Erinnerung. Die Realität sah anders aus.
    Schwarz, lichtlos – tot!
    Melle lag starr. Sie dachte, sie fühlte, sie schmeckte, nur eines schaffte sie nicht. Es war ihr nicht möglich, auch nur einen Finger zu bewegen.
    Wie ein Eisblock blieb sie liegen. Eine starre Tote, die nicht tot war. Aber man hatte sie als Leiche behandelt, alle hatten das getan, auch der Doktor, ein alter Mann, der immer nach Schnaps roch. Medizin, wie er es nannte. Er hatte einen Totenschein ausgestellt. Danach war dann die unwürdige Behandlung erfolgt. Das Waschen der Leiche, das Überstreifen des Totenhemds, anschließend das Einsargen.
    Warum wird man scheintot?
    Sie konnte keine Antwort darauf geben. Sie lag nur im Sarg. Sie wußte genau, daß sie irgendwann richtig sterben würde. Die Angst würde sie schließlich umbringen, das Grauen war einfach nicht aufzuhalten.
    Das Gefühl der brennenden Furcht kehrte zurück. Diesmal entstanden keine Bilder in ihrem Kopf. Es war alles anders. Die Angst war zu einem Druck geworden, der alle Bereiche ihres Körpers erfaßte. Diesmal wurde das Gefühl nicht von irgendwelchen Bildern begleitet. Keine Vorstellungen von der Zukunft, die es für sie im Prinzip nicht mehr gab.
    Eine Person wie
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