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Der Puppen-Galgen

Der Puppen-Galgen

Titel: Der Puppen-Galgen
Autoren: Jason Dark
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kamen die Finger zur Ruhe.
    Das Ziel?
    Irielle Fenton wartete zitternd ab. Die Angst war wieder da. Sie befürchtete, daß sich die Finger in ihre Augen hineinschoben. Alles war möglich…
    Beide Augen wurden berührt. Noch lagen die Kuppen starr auf den Augendeckeln. Der Druck fehlte, und er verstärkte sich auch nicht, denn etwas anderes geschah.
    Von allein schaffte es die Scheintote nicht, die Augen wieder zu öffnen.
    Der Unbekannte half ihr. Sie sollte sehen und erkennen können. So bekam Irielle Fenton deutlich mit, wie ihre Augendeckel zurückgeschoben wurden.
    Endlich freie Sicht!
    Plötzlich reagierte sie fast wie ein gesunder Mensch. Sie hätte innerlich vor Glück aufschreien können, denn die Sicht war ihr auch als Scheintote nicht genommen worden. Sie konnte zur Decke schauen, die auf sie wie ein mit grauem Wasser gefüllter Teich wirkte.
    Es gab kein Licht, aber es war trotzdem nicht stockfinster, denn in diesem Anbau an der normalen Schreinerei gab es natürlich auch Fenster. Zwar war die Nacht längst hereingebrochen, aber die Dunkelheit wurde aufgehellt durch das kalte Licht eines runden Mondes.
    Totenglanz…
    Holz stapelte sich an den Wänden. Die Arbeiter hatten die fertigen Särge hochkant gestellt. Staub tanzte im Mondlicht. Das Metall der Maschinen und Särge gab einen etwas unheimlichen Glanz ab.
    Aber wo steckte ihr Befreier?
    Er war zur Seite getreten, damit sie ihn nicht sofort sah. Nur der Geruch war noch vorhanden. Er war nicht weniger geworden, er hatte sich auch nicht verstärkt, es war geblieben und schwebte jetzt unsichtbar über dem offenen Unterteil.
    Die Scheintote wartete auf Schritte und Geräusche, die sich dem Sarg näherten. Etwas mußte geschehen. Der andere war nicht nur gekommen, um den Deckel anzuhieven.
    Er kam auch.
    Seine Schritte wurden von einem Schlurfen untermalt, als er über den Boden ging, auf dem sich noch die zahlreichen Späne verteilten. Irielle Fenton sah keinen Schatten. Nur auf die Geräusche hatte sie sich konzentriert, und plötzlich fiel der Schatten ihres Befreiers auf das Unterteil des Sargs.
    Es war ein Mann. Aber zugleich eine düstere Gestalt, die ebenfalls dunkel gekleidet war. Die Düsternis reichte hoch bis zum Hals. Genau dort hörte sie auf, denn da zeichnete sich ein bleiches Gesicht ab. Es mochte auch deshalb so bleich wirken, weil seine Umgebung sehr dunkel war, doch das waren nur Gedanken am Rande.
    Irielle Fenton konzentrierte sich auf das Gesicht.
    Sie hatte es nie zuvor gesehen. Eine derartige Gestalt existierte nicht in ihrem Lebenskreis.
    Bleiche, hohle Wangen. Ein hart hervorspringendes Kinn. Eine hohe Stirn, die wegen der zurückgekämmten Haare noch breiter und höher wirkte. Die Augenbrauen wirkten wie mit einem Kohlestift gezeichnet. Die Pupillen waren so schwarz wie Teer. Eine schmale, leicht gebogene Nase, darunter ein breiter Mund mit dünnen Lippen, aber das alles nahm die Scheintote wie nebenbei wahr. Sie konzentrierte sich einzig und allein auf die Augen, die normal groß waren, ihr aber übergroß vorkamen, so daß sie den Eindruck hatte, in den dunklen Pupillen zu versinken wie in unendlich tiefen Teichen. Der Fremde schaute sie an.
    Er starrte nur gegen ihr Gesicht, wie jemand, der einen anderen Menschen in Hypnose versetzen oder den Grund seiner Seele durchforschen will.
    Etwas würde passieren, das stand fest. Der Fremde hatte den Sarg mit Absicht geöffnet. Aus einem bestimmten Grund.
    Noch schaute er nur, und sein Blick blieb an ihrem Gesicht kleben, als er sie bewegte und ihr die Arme entgegenstreckte. Jetzt sah sie zum erstenmal die Finger, die sie schon berührt hatten. Ihre Farbe war so bleich, und es gab keinen Unterschied zu der des Gesichts. Die Hände umklammerten beide Schulterseiten, aber sie hoben die Scheintote noch nicht an.
    Warten…
    Genießen…
    Ja, Irielle Fenton glaubte fest daran, daß dieser unheimlicher Besucher diese Zeit mit ihr genoß. Dann hörte sie sein Knurren.
    Es klang zufrieden. Auch das folgende Nicken wies darauf hin. Noch blieb er ruhig, aber in den folgenden Sekunden passierte bei ihm eine Veränderung.
    Auf der Stirn zeichnete sich etwas ab. Es drang von innen her, vielleicht aus der Tiefe des Kopfes nach vorn, und es hatte einen rötlichen Schimmer bekommen.
    Rot wie verwaschenes Blut…
    Nicht so blaß bleibend. Es verstärkte sich. Irielle war nicht in der Lage, den Blick abzuwenden. Sie konnte nur die Stirn und dieses rote Zeichen sehen.
    Ein Buchstabe!
    Ein großes
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