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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur
Autoren: Mara Lang
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daran wäre, Nador zu hintergehen. Oder zuzulassen, dass Lith seinen Puls extrahierte. Oder die Panik vor dieser Reise ins Ungewisse zu unterdrücken.
    Jetzt, da er Lith gegenüberstand und sich verabschieden wollte, wurde ihm klar, dass ihn die Aussicht, nicht mehr Teil ihrer Welt zu sein, viel mehr belastete. Womöglich würde er sie nie wieder sehen.
    Ihr erging es ähnlich. Das spürte Matteo. Aber wie üblich flüchtete sie sich in ihren flapsigen Tonfall: »Tja, dann lass uns loslegen. Bist du soweit?«
    Matteo brachte ein Nicken zu Wege. Eigentlich war er nicht annähernd so weit.
    »Also dann«, gab er sich ebenfalls gelassen. »Wie stellen wir das nun an?«
    Lith hielt ihm einen Lederbeutel vor die Nase. »Da die Nymure fort ist, werden wir auf dieses magische Pulver von Lev-Chi zurückgreifen. Es wird dich beruhigen und die Trennung vom Körper erleichtern.«
    »Brauchen wir kein Hanforo?«
    »Wozu? Du reist sofort weiter. Sobald du nur noch Puls bist, geleite ich dich in die Weltenspirale. Denk einfach an deinen wahren Körper. Dein Puls wird ihn finden und sich mit ihm vereinigen. Gleichzeitig konzentrierst du dich ganz auf den Ort, an den du reisen willst, also auf dein Zuhause …«
    »Bei der Herreise war ich nicht fähig überhaupt zu denken«, wandte Matteo ein. »Wie soll ich das auf die Reihe kriegen, erst das eine, dann das andere?«
    »Das ist gar kein Problem, vertrau mir. Bei der Herreise war dein Puls am Erlöschen. Du warst dem Tod nahe. Jetzt ist er stark und bereit für den Austausch. Leg einfach deine ganze Willenskraft in diese Gedanken. Dann wird es funktionieren. Du landest zu Hause und alles ist gut …« Ihr Aufschluchzen widerlegte ihre Worte. Sie wandte sich ab.
    »Lith …« Hilflos berührte er sie an der Schulter, doch sie reagierte nicht. Da nahm er ihre Hand und drehte sie mit der Handfläche nach oben. Langsam sah sie auf.
    Matteo hob ihr Handgelenk an und setzte einen Kuss darauf. Dorthin, wo unter der runden Hautwulst ihre Fascia versteckt war. »Du hast mir das Leben gerettet. Und jetzt tust du es wieder. Danke.«
    Der türkisblaue Glitzerflügel entfaltete sich und sie legte ihn an seinen Bauch. Aufs Neue überwältigt von dieser Anmut, hielt Matteo den Atem an. Er konnte das Pulsieren fühlen, das Kribbeln, mit dem ihre Fascia seinen Puls weckte.
    »Ich halte dich«, flüsterte sie.
    Gewissheit durchflutete ihn. Lith würde seinen Puls extrahieren können, alles würde klappen wie vorgesehen.
    »Wir sollten beginnen«, seine Stimme war rau, weniger vor Angst, vielmehr auf Grund des ganz eigenen Zaubers, der diesem Augenblick innewohnte, »bevor Nador wieder hier aufkreuzt und nachprüft, ob du mich sicher nach Hause gebracht hast.«
    »Mhm.«
    Sein Blick klebte an ihren Augen fest. An dem Lächeln, das sich darin wiederholte. An den langen Wimpern. Den Tränen, die sie nicht unterdrücken konnte.
    Ihre Fascia zog sich knisternd zurück, dann wanderte ihre Hand in seinen Nacken und er gab ihrem sanften Druck nach. Fand zu ihren Lippen.
    Der Kuss überraschte ihn. Er schmeckte nicht bloß nach Verlust oder dem verhallenden Echo ihrer Freundschaft. Etwas Vertrautes lag darin, eine sanfte Zärtlichkeit, die sie einander schenkten, erstmals unbelastet von allem, was zwischen ihnen gestanden hatte. Sie versanken darin, stahlen sich mehr und mehr Zeit, bis sich die bevorstehende Trennung wieder in ihr Denken schlich.
    Zögernd lösten sie sich voneinander, beide verlegen und mit einem unschlüssigen Lächeln auf den Lippen, das schwand, je länger sie sich anschwiegen.
    Lith deutete auf die Stufe, die zum Quellbecken führte und Matteo setzte sich. Schluckte.
    Jetzt also.
    Sie warf die Weltenspirale in die Luft und wich zurück. Im Fallen drehte sich die Spirale um die eigene Achse, blähten sich ihre goldenen Stränge auf, wuchs sie in die Höhe. Als sie endlich in sich ruhte, warf Matteo einen Blick in das scheinbare Loch im Boden.
    Irgendwo dort unten befand sich sein Körper.
    Lith ging neben ihm in die Hocke und er öffnete bereitwillig sein Hemd. Sie knotete den Beutel auf, legte ihn behutsam neben sich ab. Blickte ihn fragend an.
    »Eins noch«, sagte er, holte den iPod hervor und drückte ihn ihr in die Hand. »Behalte ihn. Bei dir ist er gut aufgehoben. Aber geh nicht mehr mit ihm schwimmen.«
    Lith grinste. »Würde mir nicht im Traum einfallen.«
    »Sehen wir uns wieder?« Er hatte sich diese Frage nicht absichtlich bis zum Schluss aufgehoben, hatte sich bloß nicht
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