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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon
Autoren: Jim Butcher
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beschäftigten sie sich mit dieser einfachen Arbeit.
    Gaius überließ Tavi jeweils eine der Abschriften, rollte die anderen zusammen und verstaute sie in einem Lederfutteral, um sie mitzunehmen. »Gut. Vor uns liegt eine Menge Arbeit. Guten Tag.«
    Der Erste Fürst wandte sich der Tür zu.
    »Großvater?«, sagte Tavi leise.
    Gaius blieb stehen. Er blickte wachsam über die Schulter.
    Tavi schluckte. »Ich … wollte es nur einmal ausprobieren. Bis jetzt konnte ich nie jemanden so nennen.«
    Gaius nickte langsam. »Enkel«, sagte er, als würde er ebenfalls erproben, wie das Wort klang.
    Eine Weile lang schwiegen sie.
    »Du siehst ihm ähnlich, weißt du«, sagte Gaius. »Sehr ähnlich.« Er lächelte matt. »Sicherlich wäre er stolz auf dich.«
    »Ihr beide seid nicht so gut miteinander ausgekommen, oder?«, fragte Tavi.
    »So ganz allgemein? Nein.«
    »Was hättest du gemacht, wenn er meine Mutter mit nach Hause gebracht hätte?«
    Gaius zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich hätte ich sehr böse reagiert.«
    »Sie ist meine Mutter«, sagte Tavi. »Und war die Frau deines Sohnes.«
    »Ja.«
    »Ich erwarte nicht, dass du sie mit Zuneigung überschüttest«, sagte Tavi. »Aber sie könnte eine große Hilfe für dich sein. Und sie hat deinen Respekt verdient.«
    »Das werde ich im Kopf behalten«, sagte Gaius.
    »Tu das«, erwiderte Tavi ohne eine Spur von Drohung oder Gehässigkeit in der Stimme. »Sonst werden wir vermutlich auch nicht sehr gut miteinander auskommen.«
    Gaius zeigte Tavi die Zähne. »Pass gut auf dich auf, Enkel«,
sagte er, womit er zwei Aussagen gleichzeitig traf, und verließ das Gebäude.
    Tavi ließ sich auf einen Hocker sinken und neigte den Kopf. Er fragte sich, wie es wohl gewesen wäre, mit einem Großvater aufzuwachsen.
    Dann schüttelte er den Kopf und erhob sich. Er hatte weder die Zeit noch das Recht, in Selbstmitleid zu zerfließen, denn vor ihm lag jede Menge Arbeit.
     
    Bernard führte sie sicher aus dem gefährdeten Gebiet. Wer auch immer sie auf dem Weg nach Kalare verfolgt hatte, war nach der Zerstörung der Stadt und dem folgenden Sturm aus Asche geflohen. Als der Himmel schließlich wieder aufklarte, hob Amara sie beide in die Lüfte. Das war viel anstrengender, als allein zu fliegen, aber sie wollte ja auch keine Geschwindigkeitsrekorde brechen. Trotzdem erreichten sie bereits nach einem Tag das Land, das an das benachbarte Attica grenzte, und hier fanden sie neben einem Dammweg ein Gasthaus.
    Nach der Reise durch den Sumpf waren sie so dreckig, dass der Wirt ihnen kein Zimmer überlassen hätte, wenn sie ihm nicht einige Gold- und Silbermünzen unter die Nase hätten halten können. Als Erstes ließen sie sich ein Bad bereiten. Sie trugen Roben, die das Gasthaus ihnen zur Verfügung stellte, während ihre Kleidung gewaschen wurde, und sie nahmen die erste anständige Mahlzeit seit Wochen zu sich.
    Danach, so hatte Amara angenommen, würden sie vor Erschöpfung einfach einschlafen.
    Bernard hatte jedoch anderes im Sinn.
    Und sie war dem, was er im Sinn hatte, durchaus nicht abgeneigt.
    Anschließend schliefen sie. Doch mitten in der Nacht erwachte sie, lag still da und lauschte dem Herzschlag ihres Gemahls.
    »Er hat dir keine Wahl gelassen«, sagte Bernard leise.
    Amara hatte nicht bemerkt, dass er wach geworden war. Sie
brauchte einen Moment, bis sie ihre Gedanken gesammelt hatte. »Du wusstest, was er tun würde?«
    »Ich hatte eine Vermutung«, sagte Bernard.
    »Du hast nichts gesagt«, meinte sie.
    »Ich wusste nichts Genaues«, erwiderte er. »Und ich habe gehofft, er würde es anders anstellen. Und es dir vorher sagen.«
    »Ich komme mir vor wie ein Trottel«, gab sie zurück. »Er hat behauptet, er wolle Kalarus daran hindern, den Großen Elementar einzusetzen. Dabei ist mir nie der Gedanke gekommen, dass er ihn selbst freisetzen könnte.«
    »Ich weiß«, sagte Bernard und schloss sie fester in die Arme.
    »Wenn ich seine Absichten geahnt hätte … Ich weiß nicht, ob ich … Ich hätte mich daran nicht beteiligen können.«
    »Ich weiß«, sagte Bernard. »Und er wusste es ebenfalls.«
    »Was habe ich getan?«, flüsterte Amara. »Ich habe meinen Eid gebrochen.«
    »Er hat dich belogen, Amara«, meinte Bernard.
    »Er hat nie …«
    »Er hat dich getäuscht«, sagte Bernard, und sein Ton duldete keinen Widerspruch. »Er hat seine Worte so gewählt, dass du das Falsche denken musstest, und so hat er dich dazu gebracht, das zu tun, was er wollte. Er wusste, was
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