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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition)
Autoren: Christina Czarnowske
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Händen.
    Meine erste Reaktion ist völlig sinnlos – ich schiebe das Telefax an den Rand des Schreibtischs, als könnte sich der Inhalt, solcherart beiseitegeschoben, irgendwie verändern. Doch mein Blick folgt ihm, angezogen vom Text:
    „43-85, ZD, Abteilung für kriminalpolizeiliche Dienste.
    Eingang 12 Uhr 36.
    Das Department für ausländische Bürger hat uns unterrichtet, dass gestern, am 15., um 22 Uhr 35 zwischen Krongatan und Sävja der französische Wissenschaftler Doktor Yanis Bresson, Experte in einer Arbeitsgruppe der UNIKS in Krongatan, bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Das Department hat keine Einwände gegen operative Mitarbeit. Teilen Sie den Standpunkt mit. Wiederhole: Teilen Sie den Standpunkt mit.
    S. Lalande.“
    Hinter den Fenstern ist gedämpfter Straßenlärm zu hören, jemand geht über den Korridor, eine Tür schlägt zu. Aber Yanis Tod ist hier, auf meinem Schreibtisch. Und an das Telefax ist ein großer Zettel mit großen Buchstaben geheftet, mit Initialen, die ich kenne.
    „Vincent. Bericht und Vorschlag um 14 Uhr 30. L.G.“
    Ich ziehe das Telefax heran und lese es wieder. Die Worte haben etwas Widersinniges, ich wehre mich dagegen, sie aufzunehmen. Ums Leben gekommen. Experte der UNIKS – deshalb also habe ich ihn in letzter Zeit nicht gesehen.
    Krongatan. Wo liegt dieses Krongatan?
    „Teilen Sie den Standpunkt mit.“ Was für einen Standpunkt? Unsinnig ist nicht der Text vom Telefax, sondern Yanis Tod. Sein Tod. Die Worte bekommen nach und nach ihren realen Sinn, der Schock klingt allmählich ab. Jeder von uns hätte ums Leben kommen können. Von Yanni kann ich mir das nicht vorstellen, aber es ist geschehen.
    „Vincent. Bericht Vorschlag.“
    Ich sitze da, langsam komme ich zu mir, das Bewusstsein beginnt wie ein Automat die Dinge zu sortieren. Ich weiß, was in solchen Fällen zu tun ist, und es muss auch jetzt getan werden. Es ist für Yanni, aber es bleibt das Gleiche.
    Ich nehme ein Blatt Papier und beginne langsam, wobei ich mich bemühe, meine Beherrschung vollends wiederzugewinnen, Namen aufzuschreiben. Das sind die Leute, die ich um Mitarbeit bitten werde: zur Präzisierung der Fakten, für die Kartothek…
    Jeder von uns kann ums Leben kommen, aber warum er?
    Und wieso in diesem fernen Krongatan?
    …für die Kartothek, für eine vergleichende Analyse…
    Alles muss der Reihe nach erledigt werden. Alles.
    Ich halte mir das Blatt vor die Augen und taste mit noch unsicherer Hand nach der Sprechanlage.
     
    Wenn ein Unbeteiligter meinen Bericht an den Minister mit anhörte, würde er wohl kaum viel verstehen. In der Stenografie gibt es Kürzel, Sigel genannt, die ein ganzes Wort beinhalten. In unserem Gespräch bestehen die Sigel aus Worten und bedeuten einen Fall, der vor Zeiten viel Nerven und Überlegungen gekostet hat und jetzt auf einer CD gebrannt in den Archiven ruht.
    „Wir können es mit der Medici vergleichen“, sage ich und warte auf die Reaktion.
    Die Reaktion ist, dass dem Minister diese Medici’ überhaupt nicht gefällt, und er sieht mich zweifelnd mit seinen dunklen Augen an. Der Fall war ein Selbstmord, an dem wir lange zu kauen hatten. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass sich Yanis Bresson selbst umgebracht hat. Ich muss es aber einfach als mögliche Variante darlegen.
    „Aber wir haben nicht die Bedingungen der  ,Quarantäne’, Dr. Bouché.“ Der Minister hebt die Brauen.
    Das war auch so ein Fall. Vor einem Jahr ereignete sich ein merkwürdiger Unfall in der Quarantänestation von Reims. Aber es war kein Unfall, sondern Mord, doch die Ermittlungen kamen erst voran, als wir die Motive erkannten. Bei Dr. Bressons Tod gibt es keine Motive.
    Unser Gespräch muss zwei Dinge klären: ob wir von vornherein Zweifel haben, und zweitens, was wir als Nächstes tun werden.
    Anschließend kehre ich in mein Büro zurück und setze meine Ermittlungen fort, soviel in den wenig verbleibenden Stunden eben noch zu machen ist. Und zwischendurch klingeln die Telefone, lenken mich Besucher, Akten und Schriftstücke davon ab, dass es dieses Mal bei den Berichten um Yanni geht. Es gibt sogar Augenblicke, in denen ich das gespenstische Empfinden habe, dass das alles ein schrecklicher Irrtum ist, dass nicht er gemeint sein kann. Nur liegt das Telefax in bereits einem perforierten Hefter. Blatt auf Blatt, Fotos und CD - Roms schichten sich darüber. Und ich habe ein Gespräch mit dem Mann angemeldet, der in einer zweitausend Kilometer entfernten
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