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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition)
Autoren: Christina Czarnowske
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Doch der Lärm hält sich in Grenzen, und man merkt, dass es zwar eine große, aber eben doch eine Provinzstadt ist.
    Hedlund redet nicht viel. Er erkundigt sich natürlich, wie meine Reise war, spricht sein Bedauern über den Unfall aus, kommentiert ihn aber nicht. Ich frage ihn, ob er in Frankreich war. Nein. Er habe viel Gutes gehört, müsse aber seinen Urlaub auf dem Lande bei seinen Eltern verbringen.
    Ich fange an, mich zu wundern, was man alles in unserem Esperanto sagen kann. Der Wagen biegt in ein paar Straßen ein und hält vor dem Kommissariat.
    Es fällt nicht besonders ins Auge (vielleicht hat man gerade das beabsichtigt). Wir gehen durch eine Passage, wie sie um die Jahrhundertwende gebaut wurde: mit düsteren Portalen und hohen Eingangstüren. Das Kommissariat befindet hinter einem der Eingänge mit einer massiven Tür, vor der ein Polizist auf und ab geht. Daneben ist im metallischen Lampenlicht die Einfahrt zu einer Tiefgarage zu sehen – man hört gedämpftes Motorengeräusch. Sie hat wahrscheinlich auch zur anderen Seite der Passage eine Ausfahrt, denn in der Nachbarstraße sind zwei Polizeiautos geparkt.
    Wir steigen in die erste Etage, und nach dem düsteren Portal sind wir auf einmal in einem hellen, stillen Korridor. Hedlund klopft an eine Tür links.
    Ein gewöhnliches Büro, sehr zweckmäßig eingerichtet – das ist mein erster Eindruck. Ein Schreibtisch, ein Panzerschrank, Schrankwandelemente, drei kleine Sessel. Offenbar leidet man hier auch nicht an Platzüberfluss, selbst im Zimmer des Kommissariats.
    Der zweite Eindruck geht von einem Mann aus, der hinter dem Schreibtisch aufsteht, um mich zu begrüßen. Er ist ungefähr fünfundvierzig, hat ein rundes, von einem schütteren rostroten Bart eingerahmtes Gesicht, seine etwas schlaffe Gestalt neigt zur Fülle. Die Augen sind grau, sehr schlau, mit pfiffigen Flämmchen. Kein Zweifel – vor mir steht ein einfacher Mann.
    Wir begrüßen uns und stellen einander vor. Das ist Jacob Öberg, Kommissar, Abteilungsleiter.
    Öberg kehrt nicht hinter seinen Schreibtisch zurück, sondern deutet auf die Miniatursessel. Er legt Wert darauf, das kollegiale Verhältnis zu unterstreichen und ist offensichtlich bester Laune. Er schmunzelt, und auf meine Frage nach der Sprache, in der wir uns verständigen wollen, beginnt er recht erträglich Englisch zu sprechen, was es mir bedeutend leichter macht.
    Er sagt die obligatorischen Begrüßungsworte und drückt sein verhaltenes Beileid zum Tod von Doktor Bresson aus. Zwischendurch geht Hedlund hinaus, und kommt wieder und reicht seinem Chef eine steife Plastikmappe. Öberg nickt zum dritten Sessel hin – er soll sich setzen und an dem Gespräch teilnehmen. Dann legt er die Mappe auf seine Knie und geht zur Tagesordnung über.
    „Sie sind wahrscheinlich in großen Zügen über die Umstände unterrichtet“, beginnt er. „In ganz großen Zügen, denn auch uns liegt noch nicht sämtliches Material vor. Sie verstehen, es sind erst zwei Tage. Doch ich möchte Ihnen gleich sagen: Was wir zusammengetragen haben, ruft in uns ein paar Fragen hervor.
    “Fragen haben sich auch bei mir im Überfluss angesammelt, doch ich warte geduldig auf die Fortsetzung. Jacob Öberg sieht mich mit seinen grauen Augen an und fügt hinzu: „Der Unfall, Herr Kollege, ist die eine Seite. Hier sind die Protokolle von der Ortsbesichtigung, die Skizze, die technischen Überprüfungen der Fahrzeuge.“ Er klopft mit dem Finger auf die Mappe. „Doch im Augenblick beschäftigt uns etwas anderes. Die unmittelbare Todesursache.“
    Ich warte weiter, denn Öberg verstummt – eine etwas theatralische Pause. Er holt Zigaretten aus der Tasche, bietet mir und Hedlund an, dann nimmt er selbst eine. Ich sage vorsichtig: „Sie meinen…“
    „Ich meine das vorläufige Protokoll der Autopsie.“
    Ein vorläufiges Protokoll? So eine Form ist mir nicht bekannt. Entweder gibt es Schlussfolgerungen über den Tod, oder es gibt keine.
    Öberg erfasst meine stumme Frage und schlägt die Mappe auf.
    „Möchten Sie sich damit bekannt machen?“
    „Wenn Sie nichts dagegen haben.“
    Er nimmt die beiden obersten Blätter und reicht sie mir.
    „Wir haben es nur vorbereitet, damit Sie auf dem laufenden sind, Herr Kollege. Das gerichtsmedizinische Gutachten wird uns den endgültigen Befund liefern… nun, morgen, hoffe ich.“
    Ich werfe einen Blick auf die Blätter.
     
    „Heute, am 16. September, habe ich, Dr. Jens Walborg, Gerichtsmediziner im
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