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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition)
Autoren: Christina Czarnowske
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durch die Registraturen – Fotos, Fingerabdrücke, Formulare. Doch im Großen und Ganzen ist ihre Bürokratie nicht übertrieben. Am Ende kommt in den Dokumenten heraus, dass ich so etwas wie ein Inspektor-Experte bin – auf diese Formulierung sind sie verfallen. Klingt nicht gerade gut, aber was will man machen.
    Dann steigen wir wieder über Innentreppen abwärts und gelangen in die Garage – eben die, deren Ausfahrt ich gesehen habe. In dem grellen, allzu gelben Licht stehen auf der einen Seite ein paar starke Polizeimotorräder, auf der anderen ein Kleinbus und zwei Autos mit blauen Rundumleuchten. Ihre schwarzen Streifen glänzen und springen in die Augen.
    Ein älterer Polizist nimmt uns in Empfang und prüft unsere Papiere streng nach Vorschrift, obwohl er Charlie Hedlund genau kennt. Dann begeben wir uns nach hinten, wo mit Gittern verschlossene Betonzellen zu sehen sind. Zwei sind leer, aber in der dritten steht Bressons Wagen mit einer durchsichtigen Folie bedeckt.
    Hedlund schließt auf, nimmt die Folie ab und legt sie zusammen, sodass ich mir das Auto ansehen kann, vielmehr das, was einmal ein Auto war.
    Der Zusammenstoß war frontal, ein bisschen mehr links, und wirklich schwer. Das Vorderteil ist zusammengedrückt, die Scheiben fehlen, Boden und Sitze sind mit ihren Bruchstücken übersät. Die beiden Vordertüren stehen offen, sie sind beim Zusammenprall aufgesprungen. Auf dem Vordersitz und dem Boden zeichnen sich dunkle, eingetrocknete Blutflecke ab.
    Ich gehe aufmerksam um das Auto herum, wende mich dann an Hedlund. Er hat sich diskret abseits gehalten.“Kollege Hedlund“, sage ich, „ich brauche eine Auskunft. Und womöglich sofort. Die Namen und Adressen der Leute, die in Krongatan Wagen dieser Marke und dieses Modells besitzen. Bis wann können Sie mir das besorgen?“
    „Das haben sie im Einwohnermeldeamt“, überlegt er. „Vielleicht in einer halben Stunde.“
    „Was meinen Sie, wie viele solcher Wagen mag es in Krongatan geben?“
    „Peugeot 404?… Wohl kaum mehr als zwanzig. Und vom selben Baujahr… Nein, ich glaube nicht, dass es mehr sind.“
    „Gut“, sage ich. „Seien Sie so nett. Ich warte hier auf Sie.“
    Hedlund schnippt mit den Fingern und geht, ich aber begebe mich an die Arbeit. Die Auskunft brauche ich schon, aber nicht so dringend. Wichtiger ist mir, dass ich bei meiner Beschäftigung allein bin. Und da sind verschiedene Dinge zu erledigen, Dinge, die ganz und gar nicht in die Zuständigkeit der technischen Expertise fallen und die völlig unbemerkt erledigt werden müssen. Diese Vorsicht ist jetzt nicht überflüssig, ich weiß nicht, ob ich für jemanden allzu interessant bin.
    Ich ziehe das Sakko aus und hänge es über das Gitter. Für einen Augenblick beobachte ich mich gleichsam von der Seite. Es wirkt natürlich, ich werde es doch nicht in Staub und Schmutz eines zerbeulten Autos eindrecken. Dann öffne ich mein Köfferchen und nehme ein Gerät zur Abnahme von Fingerabdrücken heraus. Ich streife mir Handschuhe über und ziehe an der offenen Vordertür. Sie geht langsam und schwer, mit ekelhaftem Quietschen auf. Ich werde den Oberkörper in die krumm gezogene Kabine schieben und Fingerabdrücke suchen: auf dem Lenkrad, am Armaturenbrett, selbst auf dem automatischen Zigarettenanzünder. Das wirkt ebenfalls ganz natürlich. Wenn mich jemand mit dem Teleobjekt beobachten sollte, wird er wahrscheinlich nachsichtig lächeln. Wer wird schon seine Fingerabdrücke hinterlassen?
    Nur, dass dieser Jemand keinen Grund zum Grinsen hätte. Die Abnahme der Fingerabdrücke ist nur die eine Seite meiner Tätigkeit. Die andere, wichtigere ist, dass ich jetzt die ganze Zeit auf meine Uhr schauen kann. Und das ist eine besondere Uhr. Ein großer, massiver Chronometer, parvenühaft mit Knöpfen und Zeigern ausgestattet. Alle möglichen sind da vorhanden. Und darunter auch einer, der steht still, aber wenn er ruckt, zeigt dies an, dass in der Nähe, im Umkreis von drei, vier Metern eine Wanze ist.
    Ich quetsche mich in die zusammengedrückte Kabine, stelle das Daktyloskopiegerät auf dem Beifahrersitz an und werfe gleichsam nur so, unwillkürlich, einen Blick auf die Uhr.
    Von diesem Moment an wird alles anders.
    Die Spannung trifft wie ein elektrischer Stromstoß auf die Nerven, strafft alle Muskeln. Denn der Zeiger auf der Uhr hat geruckt und beginnt zu zittern.
    In meiner Nähe ist ein Mikrofon und im Augenblick vielleicht eingeschaltet, aber ich sehe es nicht, ich kann es
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