Der Prinzessinnenmörder
schon. Das ist der Unterschied.«
»Warum sollte ich für die Kinder anderer Leute etwas tun, was ich für meine Tochter nicht tun durfte?«
»Weil Sie es tun können.«
»Und warum konnte ich es für Lisa nicht tun?«
»Das wissen wohl nur Sie.«
»Und deshalb müssen Sie mir wohl oder übel glauben, dass ich gute Gründe habe für das, was ich tue.«
»Diese Gründe gibt es nicht. Aber sagen Sie mir eins: Warum reden Sie mit mir, wenn es sowieso nichts ändert?«
»Das hatte ich Ihnen doch schon erklärt: Damit Sie mich nicht aus dem Internet schmeißen. Ich möchte der Welt nämlich noch erklären, warum vier junge Menschen sterben mussten.«
»Ich dachte, es hätte irgendwie mit mir zu tun, dass Sie mit mir reden wollen.«
»Nein. Hat es nicht.« Rathberg verschwand aus dem Bild. Wallner war irritiert. Er fragte ins Handy, ob Rathberg noch dran sei, bekam aber keine Antwort. Das Telefon auf dem Schreibtisch läutete. Wallner bedeutete Mike, er solle drangehen. Mike meldete sich und lauschte etwa eine halbe Minute. Während dieser halben Minute signalisierte sein Blick, dass die Sache – was immer es war – heikel war. Schließlich bat Mike den Anrufer, kurz zu warten, hielt das Mikrofon des Hörers zu und wandte sich an Wallner.
»Einer von der Staatskanzlei. Die wollen wissen, was da gerade im Internet läuft.«
»Sag, die sollen Rathberg um Himmels willen auf Sendung lassen. Und sag, das SEK wär unterwegs. Und dass sie mir nicht auf den Wecker gehen sollen. Ich muss mich konzentrieren.«
Mike nickte und sagte ins Telefon, man solle sich da oben unterstehen und irgendwas am Internet murksen. Sie hätten die Sache hier absolut im Griff, und wenn die Staatskanzlei weiter Ärger machen wolle, dann könne man das hier gleich übers Internet bringen. Die Antwort aus der Staatskanzlei schien nicht sehr lang zu sein. Mike legte mit einem »Sie mich auch« auf und lächelte Wallner an.
Wallners Blick zeigte eine gewisse Besorgtheit. »Wär’s nicht ein bisschen diplomatischer gegangen?!«
Mike warf diesen Einwand mit einer Handbewegung hinter seine Schulter. Dann zeigte er auf den Computerbildschirm. »Geht scheint’s weiter.«
Rathberg kehrte zu seinem Platz hinter dem Mädchen zurück. Er hatte eine Minibar-Flasche in der Hand. Es war Rum. Rathberg schraubte die Flasche auf und trank sie zur Hälfte aus. »Dass wir uns nicht missverstehen. Das ist keine psychologische Stütze. Es ist nur saukalt in dieser Kirche. Ich denke, Sie verstehen mich, Herr Wallner.«
Wallner und seinen Leuten war inzwischen klar, dass die Bilder aus der Gmunder Pfarrkirche kamen. Genauer gesagt, von deren Orgelempore.
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Welche war das noch gleich?«
»Was muss passieren, damit wir die Sache hier beenden, ohne dass jemand stirbt.«
Rathberg sah nachdenklich in die Kamera. Seine Gesichtszüge hatten nichts Zynisches. Es war das Gesicht eines Mannes am Ende seines Weges. Nicht einmal Verzweiflung war in diesem Gesicht zu lesen. Schmerz – ja. Aber der Schmerz desjenigen, der sich entschieden hat, den schmerzensreichen Weg bis zum Ende zu gehen. »Überraschen Sie mich«, sagte Rathberg. Die Art, in der er es sagte, ließ wenig Zweifel, dass die Aufforderung mehr rhetorischer Natur war.
Wallner dachte nach. Tausend Gedanken auf einmal, die sich gegenseitig blockierten. Er hatte keine Zeit zum Denken. Rathberg würde sie Wallner nicht lassen. Janette kam herein und schloss die Tür hinter sich. Sie bedeutete Wallner, dass sie ihm etwas zu sagen hatte, das nicht für Rathberg bestimmt war.
»Entschuldigen Sie mich kurz«, sagte Wallner ins Telefon. Dann hielt er das Mikrofon des Hörers zu.
»Das SEK ist unterwegs.«
»Wie lang brauchen die?«
»Minimum eine halbe Stunde.«
»Danke«, sagte Wallner und gab das Mikrofon des Hörers frei.
Rathberg war ungehalten. »Ich mag das nicht, wenn Sie Pausen machen. Dann habe ich das Gefühl, Sie tun Dinge hinter meinem Rücken.«
»Das tu ich auch. Ich denke mir gerade eine Überraschung für Sie aus.«
»Mit Überraschung meinen Sie aber nicht das SEK?«
Jeder im Büro blickte zur Decke, ob sich da oben nicht eine von Rathberg angebrachte Webcam befand.
»Das SEK ist natürlich nicht die Überraschung. Damit haben Sie ja wohl gerechnet.«
»Wie lange haben wir, bis es eintrifft?«
»Eine Stunde vielleicht.«
»Ach, kommen Sie! Das schaffen die in einer halben.«
»Ich will nichts versprechen, was ich dann nicht
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