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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Autoren: Lucy Dillon
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die Tür noch einen Spalt weiter. »Komm rein, komm rein.«
    Anna trat vor, hielt dann aber inne. »Auch Pongo?«
    Trotz seiner innigen Liebe zu Michelle und ihrer widerwilligen Zuneigung zu ihm, durfte Pongo für gewöhnlich immer nur im Windfang bei den Mänteln und Stiefeln warten – die Bannmeile zwischen der schmuddeligen Außenwelt und Michelles makellosem Heim. Gleich hinter dem gefliesten Bereich begann die schuh- und pfotenfreie Zone.
    »Seit acht Uhr heute Morgen hat Chloe versucht, ihm mit Tesastreifen Engelsflügelchen auf das Fell zu kleben«, fuhr Anna fort, »um ihn als Requisite zu benutzen, wenn sie per Skype mit ihrer Mutter spricht. Um für sie zu singen. Zu singen , Michelle! Sie konnte nicht einfach »Frohe Weihnachten« sagen wie alle anderen – sie musste eine Show daraus machen.« Anna hielt inne. »Sie hat uns gezwungen, im Hintergrund leise zu summen. Stell dir mal vor – Phil und summen.«
    Michelle hob resignierend die Hände. »In dem Fall muss ich wohl eine weihnachtliche Ausnahme machen. Warte hier mit ihm, ich habe da etwas, was er für mich ausprobieren könnte …« Mit einem ausgestreckten Finger befahl sie Pongo, »Sitz« zu machen und verschwand dann im Inneren des Hauses.
    Anna schlürfte genüsslich ihren Wein und hatte wie immer plötzlich das magische Gefühl, hier eine normale Tür durchschritten zu haben, hinter der sich eine unerwartete, unbekannte Welt befand. Von außen betrachtet wirkte die Swan’s Row Nr. 1 wirklich winzig. Nur die drei eleganten Buchsbaumkugeln auf den Eingangsstufen gaben einen kleinen Hinweis darauf, was einen drinnen erwartete: ein unfassbar luftiger, weitläufiger, cremeweiß gehaltener Raum mit hellen Sofas und großen Glasvasen, die mit weißen Blumen geschmückt waren. Riesige goldgerahmte Spiegel reflektierten das Licht sowie eine endlose Parade schöner Dinge.
    Weil Weihnachten war, hatte Michelle ihre Farbpalette aufgepeppt und um Kieferngirlanden am Treppengeländer und dunkle beerenfarbige Stuhlhussen erweitert, doch der grundsätzliche Effekt war der Gleiche: Es sah sauber, behaglich und friedlich aus, und über allem hing der sanfte Duft von Hyazinthen und Duftkerzen. Anna liebte dieses Design; nichts war übertrieben luxuriös oder teuer. Sie wünschte sich nur, ihr Haus könnte so aussehen – wenn sie denn genügend Zeit hätte, alles so wie in einem Einrichtungsmagazin perfekt zu stylen. Und wenn sie denn ein Händchen für Farben hätte, einen unerschütterlichen Handwerker, einen besseren Geschmack, ein eigenes Geschäft für schicke Wohnaccessoires sowie das Talent, hübsche Stücke bei Auktionen zu erstehen.
    Anna sah sich staunend um. Schwer zu glauben, dass dies das gleiche schimmelige Cottage war, in das Michelle sie zum ersten Mal vor beinahe drei Jahren zum Kaffee eingeladen hatte. Na ja, nein, widersprach sich Anna; so unvorstellbar war es nun auch wieder nicht, wenn man einmal Michelle kannte. Immerhin war sie der entschlossenste, am besten organisierte Mensch, den Anna je kennengelernt hatte. Michelle besaß eine To-do-Liste für jeden Tag, jeden Monat und sogar für das gesamte Jahr. Ohne großen Wirbel und mit großer Ruhe arbeitete sie jede dieser Listen ab. Wenn Michelle einmal etwas aufgeschrieben hatte, wurde es auch erledigt.
    Anna bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Denn Anfang des Jahres hatte Michelle ihr vorgeschlagen, doch auch so eine Liste zu erstellen, »um einander anzuspornen« – womit Michelle wohl ganz klar gemeint hatte, »um Anna anzuspornen«. Doch Anna hatte nicht einmal die Zeit gefunden, eine solche Liste zu erstellen. Sie war einfach zu beschäftigt gewesen mit den wöchentlichen elterlichen Pflichten, den Zankereien der angeheirateten Töchter und Mince-Pie-Reinfällen.
    Michelle tauchte mit einer großen grünen Tasche auf und ertappte Anna dabei, wie diese ihre neueste Errungenschaft für den Ablagetisch im Flur anstarrte – ein großer Riedkorb mit Weihnachtsnarzissen, die Pongo bei ihr zu Hause spätestens nach zehn Minuten auf den Boden gerissen hätte.
    »Stimmt damit etwas nicht?«, fragte Michelle plötzlich. Auf ihrer glatten Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet. »Ist der Korb zu groß? Ich habe darüber nachgedacht, ihn im Frühjahr ins Sortiment aufzunehmen.«
    »Nein. Er ist perfekt. Perfekt! Das ganze Haus ist perfekt!« Anna trank einen großen Schluck Wein und streifte sich mit dem rechten Fuß den linken Stiefel ab, ohne
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