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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Autoren: Lucy Dillon
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sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wozu sie fähig war, wenn sie sich mit aller Macht auf etwas konzentrierte. Michelle hatte ihren Aston Martin geliebt. Nicht nur, weil sich alle nach diesem Wagen umdrehten – zumal hinter dem Lenkrad nicht ein Kerl mittleren Alters saß, sondern eine zierliche Frau mit Sonnenbrille –, sondern auch, weil sie ihn von den Provisionen gekauft hatte, die sie als Topverkäuferin im Autohaus ihres Vaters verdient hatte. Es gab nicht viele achtundzwanzigjährige Frauen, die beharrlich genug waren, um solche Verkaufszahlen zu erzielen. Und dabei mochte sie Autos nicht einmal besonders. Als plötzlich der Schmerz des Bedauerns in ihrer Brust anschwoll, ermahnte sich Michelle schnell, dass manche Leute mit dreißig Jahren noch nicht einmal auf eigenen Beinen standen, ganz zu schweigen davon, dass sie ein neues Leben begannen. Ihr blieb noch genügend Zeit, sich ein neues Auto zuzulegen.
    Sie musterte das wenig verheißungsvolle Inventar des Ladens und geriet wieder ins Wanken. Eigentlich wollte sie sich diesen trostlosen Anblick hier nicht länger antun, aber genauso wenig wollte sie wieder in das schäbige Haus am Kanal zurück mit den schreiend bunten Tapeten und hier und dort feuchten Wänden. Im Laden stank es nach Fisch, und die Hauptstraße war wie ausgestorben, doch das war immer noch besser als jedes Mal zusammenzuzucken, wenn das Telefon klingelte.
    »Besorg dir einen Kaffee und erstell eine Liste«, befahl sie sich selbst, wobei ihre Stimme durch das leere Geschäft hallte. Sogleich fühlte sie sich ein wenig besser.
    Direkt neben dem ehemaligen Fischhändler befand sich ein Café, das im Gegensatz zu den meisten Geschäften in der Nähe offen war und für einen Sonntagnachmittag gut zu tun hatte.
    Michelle bestellte sich an der Theke einen doppelten Espresso sowie ein Stück Kuchen und ließ sich dann mit ihrer To-do-Liste an einem Tisch vor dem Fenster nieder, wo sie ihre Konkurrenz auf der Hauptstraße analysieren konnte. Dieses Café hatte etwas – lag es an der makellosen Reinheit? Den selbstgebackenen Kuchen? –, das sehr beruhigend auf Michelle wirkte. Doch neben all den plaudernden Pärchen und Familien, die an den Nachbartischen saßen, fühlte sie sich plötzlich unsicher, als würde sie ihre Einsamkeit wie einen unangenehmen Geruch ausströmen. Wie fand man als erwachsener Mensch Freunde, wenn man nicht in einem Büro arbeitete oder jeden Morgen Kinder zur Schule fahren musste? Sie meinte nicht Geschäftskontakte wie ihr neuer Anwalt oder der Immobilienmakler, sondern richtige, echte Freunde . Wie zum Beispiel …
    Michelle runzelte die Stirn. Ja, wie wer eigentlich? Owen, ihr jüngster Bruder, war der einzige Mensch, dem sie wirklich vertraute. Ihre Freundinnen waren im Grunde genommen eigentlich nur die Ehefrauen von Harveys Pokerkumpeln. Mit zwanzig war sie ebenso in Harveys gesellschaftliches Leben gezwängt worden, wie sie mit achtzehn in das Familienunternehmen gedrängt worden war. Weder gab es Studienfreunde noch Exfreunde noch irgendwelche alten Schulfreunde …
    Ohne jede Warnung wurde die Tür aufgestoßen, und ein riesengroßer Dalmatiner kam hereingestürmt. Seine schwarzen Augen glänzten, und die gefleckten Ohren zuckten vor Aufregung. Neben dem Schirmständer hielt er kurz inne und wedelte mit dem Schwanz, während er sich im Café umzusehen schien, wer hier die meiste Aufmerksamkeit nötig hatte. Sein Blick richtete sich auf Michelle, und schon kam er auf sie zu.
    Zu Michelles großer Überraschung reagierte keiner der anderen Cafébesucher darauf, sodass sie sich für den Bruchteil einer Sekunde fragte, ob wohl nur sie allein diesen Dalmatiner sehen konnte. Als er jedoch vor ihr stand und mit dem Schwanz wedelte, begriff sie, worauf er es abgesehen hatte: Er liebäugelte mit dem Stück Karottenkuchen, das vor ihr stand. Das Tier hatte eine Pfote auf den freien Stuhl neben Michelle gelegt und seinen Kopf schon zur Seite geneigt, um sich den Kuchen besser angeln zu können, doch Michelle packte ihn an seinem roten Halsband und schob den Hund wieder hinunter.
    »Sitz!«, befahl Michelle. Als der Dalmatiner aber nicht reagierte, sondern nur amüsiert seine Zunge heraushängen ließ, wiederholte sie ihren Befehl strenger. »Sitz!«
    Der Hund ließ sich schließlich gehorsam auf dem Boden nieder, wo er mit seinem gefleckten Schwanz wedelte und immer wieder gegen die Tischbeine schlug, als würde Michelle mit ihm spielen. Immer noch schien sich
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