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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau
Autoren: Jules Verne
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von allen Seiten.
    Ohne wegen der ihm erteilten Lektion irgend wie verlegen zu erscheinen, ergriff Michael Michaelowitsch mit bewundernswerter Geistesgegenwart diese neue Gelegenheit, einen Toast auszubringen.
    »Wenn es sich so verhält, rief er, seinen Humpen ergreifend, dann einen Schluck auf das Wohlergehen Ilia Bruschs!
    – Auf das Wohlergehen Ilia Bruschs!« antwortete der Chor, ohne Jäger auszunehmen, wie aus einem Munde, denn auch… Jäger trank sein Glas gewissenhaft bis zum letzten Tropfen aus.
    Der letzte merkwürdige Einfall Michael Michaelowitschs war jedoch vielleicht nicht ebenso unsinnig wie die frühern. Nach der etwas prahlerischen Verkündigung seines Planes war Ilia Brusch noch nicht wieder zum Vorschein gekommen; ebensowenig hatte jemand von ihm reden hören. War es nicht auffallend, daß er sich so verborgen hielt, und konnte man nicht mit Recht vermuten, daß er seinen zu leichtgläubigen Kollegen nur hätte etwas weismachen wollen? Hierüber klar zu werden, das konnte ja in jedem Falle nicht lange dauern: binnen sechsunddreißig Stunden mußten die Bündler wissen, woran sie bezüglich dieser Sache waren.
    Die, die sich hierfür interessierten, brauchten sich nur wenige Meilen von Sigmaringen stromaufwärts zu begeben. Dort würden sie sicherlich Ilia Brusch finden, wenn der ein ebenso ehrenhafter Mann war, wie ihn der Vorsitzende Miklesko in gutem Glauben hinstellte.
    Immerhin konnte hier noch eine Schwierigkeit auftauchen: War denn die Lage der richtigen Quelle des großen Stromes genau festgestellt? Herrschte über diesen Punkt nicht noch eine gewisse Unsicherheit, da auch die besten Karten die betreffende Stelle nicht zweifellos angaben? Und wenn man sich bemühte, Ilia Brusch an einer solchen zu treffen, konnte der da nicht recht gut gerade an einer andern sein?
    Zweifelhaft ist es ja keineswegs, daß die Donau, der Ister der Alten, im Großherzogtum Baden entspringt. Die Geographen erklären sogar, diese Stelle läge unter 6 Minuten östlicher Länge und 37 Grad 48 Minuten nördlicher Breite. Dieser Lagenbestimmung fehlt aber – ihre Richtigkeit angenommen – neben der Zahl der Bogenminuten die Zahl der Sekunden; die Lage der Stelle ist damit also nur ungenau angegeben. Hier handelte es sich aber doch darum, die Schnur genau an dem Punkte auszuwerfen, von dem aus der erste Tropfen Donauwasser nach dem Schwarzen Meere zu rinnen beginnt.
    Nach einer Sage, die lange Zeit das Ansehen einer geographischen Tatsache genoß, sollte die Donau inmitten eines Gartens entspringen, und zwar aus dem der Fürsten von Fürstenberg. Ihre Wiege wäre danach ein Marmorbecken, aus dem sehr viele Touristen ihre Becher und Feldflaschen gefüllt haben. Sollte man nun Ilia Brusch am Morgen des 10. August am Rande dieses unerschöpflichen Wasserbeckens erwarten?
    Nein, dort ist nicht die richtige Stelle, die authentische Quelle des großen Stromes. Man weiß jetzt, daß er aus der Vereinigung zweier Bäche, der Brege und der Brigach, entsteht, die sich aus der Höhe von achthundertfünfundsiebzig Metern durch den Schwarzwald ergießen. Ihre Wässer vereinigen sich dann bei Donaueschingen, wenige Meilen oberhalb Sigmaringens und fließen von hier unter dem gemeinschaftlichen Namen Donau weiter.
    Wenn einer der beiden Bäche mehr als der andre verdiente, als die eigentliche Ursprungswasserader betrachtet zu werden, so wäre es die Brege, deren Länge die des andern Bachs um siebenunddreißig Kilometer übertrifft und die im Breisgau entspringt.
    Die bestunterrichteten Neugierigen hatten sich aber ohne Zweifel gesagt, daß der Abfahrtsplatz Ilia Bruschs – wenn dieser überhaupt abfuhr – Donaueschingen sein werde, denn dorthin hatten sie sich, die meisten Zugehörigen des Donaubundes, in Gesellschaft des Präsidenten Miklesko begeben.
    Vom Morgen des 10. August an »bezogen sie die Wache« am Ufer der Brege, nahe dem Zusammenfluß der beiden Bäche… Die Stunden verrannen jedoch, ohne daß der erwartete Held des Tages sich sehen ließ.
    »Er wird überhaupt nicht kommen, sagte der eine.
    – Ihm kam’s nur darauf an, uns zu foppen, meinte ein andrer.
    – Und wir werden bald als dumme Tröpfe dastehen!« setzte Michael Michaelowitsch im Gefühl seines Triumphes hinzu.
    Nur der Präsident Miklesko verharrte dabei, Ilia Brusch in Schutz zu nehmen.
    »Nein, erklärte er kategorisch, ich werde nun und nimmer zugeben, daß ein Mitglied des Donaubundes den Gedanken gehabt haben könne, seine Kollegen zu foppen.
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