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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast
Autoren: Rowland
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Drachenkönigs. »Deshalb schaute ich zu, wie mein Vater sich die Kehle durchschnitt. Und ich sah zu, wie du im Wasser ertrunken bist.«
    Seine hämische Freude widerte Reiko an.
    »Ich saß da, berauscht von meiner Rache«, gestand er. »Doch der Rausch verflog rasch. Maßloses Entsetzen überkam mich, als mir klar wurde, dass du vor meinen Augen ertrankst, während ich untätig im Boot saß.« Die Miene des Drachenkönigs verdüsterte sich. »Ich ruderte schnell zu der Stelle, an der du im Wasser versunken warst. Aber die Laterne am Boot meines Vaters war erloschen. Das Feuerwerk war zu Ende. Es war so dunkel, dass ich nichts sehen konnte. Ich tauchte mein Ruder auf der Suche nach dir ins Wasser. Ich rief deinen Namen.« Die Augen des Drachenkönigs füllten sich mit Tränen, die über die blutverschmierten Wangen rannen. »Bis zur Morgendämmerung suchte ich dich. Aber der See war so glatt wie ein Spiegel. Du warst verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen. Schließlich ruderte ich zurück ans Ufer und ging nach Hause.
    Seit dieser schrecklichen Nacht habe ich um dich getrauert, Anemone«, gestand er Reiko unter Tränen. »Zwölf Jahre lang habe ich dich an deinem Traueraltar verehrt. Zwölf Jahre lang habe ich Pläne geschmiedet, um deinen Tod zu rächen.«
    Jetzt verstand Reiko, warum er Hoshinas Vernichtung so besessen verfolgt hatte. Sein Vater, der Anemone getötet hatte, konnte nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Der Drachenkönig hatte seine Teilschuld an Anemones Tod Hoshina angelastet, weil er die Last nicht ertragen konnte. Er hatte gehofft, seine Gewissensnot lindern zu können, indem er Hoshina bestrafte.
    »Zwölf Jahre lang hat mein Geheimnis meine Seele von deiner getrennt.« Er streckte Reiko die Handfläche mit den gespreizten Fingern entgegen, als würde er gegen eine unsichtbare Schranke zwischen sich und Reiko drücken. »Es trennt uns noch immer. Ich kann dich nicht ansehen oder berühren, ohne daran denken zu müssen, was ich getan habe.«
    Reiko verstand nun auch den Grund für seine Unfähigkeit, mit ihr oder einer anderen Frau zu schlafen. Seine Schuld und nicht seine Liebe zu Anemone hatte ihn seiner Manneskraft beraubt.
    Der Drachenkönig schluchzte. »Für mich gibt es nur einen Weg, mich wieder mit dir zu vereinen, und das ist der Tod.«
    Er umklammerte mit beiden Händen den Dolch und richtete ihn auf seine Körpermitte. Reiko wandte sich ab, damit sie nicht sah, wie die Klinge das Fleisch und lebenswichtige Organe durchdrang. Sano nahm ihren Arm und zog sie zur Tür. Der Drachenkönig keuchte. Ein Knurren der Verzweiflung und der Wut drang aus seiner Kehle.
    »Ich kann es nicht!«, schrie er.
    Reiko drehte sich um und sah, dass er mit dem Dolch rang. Seine Hände zuckten heftig. Die Spitze des Dolches stieß in seinen Bauch. Krämpfe verzerrten sein Gesicht, als er den Mut aufzubringen versuchte, sich das Leben zu nehmen. Doch es gelang ihm ebenso wenig, den Dolch in seinen Körper zu stoßen, wie in eine Frau einzudringen.
    Schließlich gab er es auf. Die Hand mit dem Dolch sank auf seinen Schoß. Er hob den Kopf. In seiner Miene spiegelten sich Niederlage und Schmach. Ein Schleier von Tränen trübte seinen Blick, der auf Sano haften blieb.
    »Richtet Hoshina hin. Gewährt mir meine Rache«, bat er leise. Dann schenkte er Reiko ein wehmütiges Lächeln. »Mögen unsere Seelen sich eines Tages im Unterwasser-Palast des wahren Drachenkönigs vereinen.«
    Mit einem lauten Schrei sprang er jäh auf und stürmte quer durchs Gemach auf Reiko zu. Die Ermittler stürzten sich auf ihn, doch es war zu spät. Reiko sah, wie der Drachenkönig den Dolch auf sie richtete. Der plötzliche, unerwartete Angriff ließ sie vor Schreck erstarren. Sie erkannte die verzweifelte Absicht in seinem Blick und sah dem Tod ins Auge. Doch Sano war schneller. Er schlug sein Schwert genau in die Lücke zwischen Reiko und Dannoshin.
    Die Klinge fügte dem Drachenkönig eine klaffende Wunde im Unterleib zu. Sein Gebrüll verwandelte sich in ein qualvolles Wimmern. Er stürzte zu Boden; aus der offenen Wunde schoss das Blut. Der Dolch entglitt seiner Hand. Allmählich verlor er das Bewusstsein; seine Gesichtszüge waren bereits vom Tod gezeichnet. Dann brach er zusammen und blieb regungslos liegen. Sano zog seine Gemahlin an sich und schloss sie in die Arme. Reiko war einer Ohnmacht nahe, als der Schock ihr erst jetzt in die Glieder fuhr. Zugleich spürte sie ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Nachdem ihr
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