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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin
Autoren: C.J. Cherryh
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hoch auf den Rücken und ging weiter, wobei er mit dem Bogen das Gleichgewicht hielt.
    Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn er eine weitere Nacht inmitten der Hecken zugebracht hätte und den Bergpfad erst am nächsten Morgen angegangen wäre; Taizu war jedoch über die Angst vor Geistern und Dämonen hinaus, und die einzigen Drachen, die Taizu fürchtete, wandelten stets in menschlicher Gestalt.
    Die Sonne ging hinter den Bergen unter und hüllte den Pfad unter den Bäumen in tiefen Schatten. Es sei nicht weit, hatten die Dorfbewohner gesagt, und wenn diese Einschätzung auch falsch sein mochte, so glaubte Taizu doch, daß sie zumindest in einem recht hatten: dieser Wald war vor Banditen sicher. Ein Bandit, der auf Saukendars Berg auf Beute ging, wäre ein Narr gewesen.
    Und das bedeutete eine größere Sicherheit, als Taizu seit Wochen gekannt hatte.
    Und so kletterte Taizu im Schatten des Waldes weiter und kämpfte mit der Trage, die sich an Ästen verfing, bis der Wind den Geruch von Rauch und Pferden zu ihm herantrug; bis schlichte Gebäude im Zwielicht auftauchten: ein Pferch und eine Weide und die sonnenumrahmte Gestalt eines Mannes, der einem Braunen Wasser brachte und dessen Mantel in den plötzlich aufflammenden Strahlen des Sonnenuntergangs rot aufleuchtete. Ein Gewitter zog nach Norden, mit Wolken, die wie eine schiefergraue Wand über den Bergen standen. Das rote Licht der verblassenden Sonne setzte alles in Brand; das Pferd, die Ränder der Gebäude, den Mann.
    Für einen Augenblick hielt Taizu den Atem an: Saukendar erschien ihm unwirklicher, als dieser es die ganzen Wochen über, seit er die Provinz Hua verlassen hatte, gewesen war – weniger Mensch als Gott. Doch ein Mensch, der der Welt entsagt hatte, ließ sich nicht mit gewöhnlichen Maßstäben messen. Saukendar hatte Hof, Reichtum und seine hohe Stellung aufgegeben und war dem Regenten und dem Kaiser entkommen, die ihn verraten hatten. Er war hierhergekommen, an diesen Ort jenseits der Grenzen des Reichs, um seine Kunst und seine Seele in der Einsamkeit der Berge zu vervollkommnen. Saukendar war dieser Vollkommenheit in der Welt so nahe gekommen, wie es einem Menschen nur möglich war – als rechte Hand des Kaisers, als der eine Aufrechte an einem Hof, der immer korrupter wurde und von Schurken wimmelte. Saukendar hatte das Recht und den alten Kaiser verteidigt, hatte die Armen vor den Reichen beschützt und die ehrlichen Lehnsherren gegenüber den Schmeichlern in Schutz genommen, während der alte Kaiser immer schwächer geworden und schließlich gestorben war.
    Gegen die Dummheit des halbwüchsigen Thronfolgers Beijun, der sich mit dem Fürsten Ghita aus der Provinz Angen verbündet und den von seinem Vater eingesetzten Regenten Heisu der Verschwörung und des Ehebruchs mit seiner Frau angeklagt hatte, war Saukendar jedoch machtlos gewesen.
    Und so hatte schließlich Ghita von Angen hinter dem Thron gestanden, und Fürst Heisu und die Kaiserin Meiya waren beide hingerichtet worden, und fünfhundert Männer der kaiserlichen Garde hatten Saukendar gejagt, um ihn zu töten; Saukendar jedoch hatte zwanzig von ihnen auf dem Weg zur Grenze getötet und, wie sie sagten, nicht wenige dahinter, bis er sich in die Einsamkeit der Berge an der Grenze zur Provinz Hoishi abgesetzt hatte und Fürst Ghita und seine Männer eingesehen hatten, daß es klüger war, ihn dort nicht zu belästigen.
    So war Saukendar. Und wenn er der Welt entsagt und beschlossen hatte, nach Vollkommenheit zu streben, so hatte er vielleicht auch darin Erfolg gehabt, und die Götter waren ihm besonders gnädig.
    Doch beim zweiten Hinsehen zeigte sich, daß der Mann humpelte; und das Licht erlosch, als er an der Scheune vorbeikam und sich das Pferd dem Zaun näherte: es war gar nicht Saukendar, sondern – bloß ein Bediensteter. Taizu fühlte sich ein wenig genarrt: Natürlich hatte der Waffenmeister, des Kaisers Leibwächter und Kämpe, mindestens einen Diener mitgenommen oder aus dem Dorf unten im Tal zu sich genommen, jemanden, der ihm seine Mahlzeiten zubereitete und sich um die alltäglichen Dinge kümmerte. Saukendar war ein großer Fürst gewesen, mit Land und Dienern. Nicht einmal als Asket würde er daran etwas ändern.
    Und so trat Taizu ins Zwielicht und ins Freie hinaus, enttäuscht zwar, aber dem gescheiterten Wunder tapfer ins Auge blickend.

1
    Shoka hatte die Veranda fast schon wieder erreicht, als die Erscheinung aus dem Wald hervortrat, ein gewaltiger Klotz,
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