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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden
Autoren: John Connolly
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anderen Suchtrupp sehen. Irgendwie hatten sie sich von der Hauptgruppe entfernt, doch auch die war im Laufe des Tages geschrumpft. Das Tageslicht schwand bereits. Bald musste man die Suche abblasen, und in den kommenden Tagen würden sich weniger Leute daran beteiligen.
    Sie hatten an diesem Morgen unmittelbar nach den Sonntagsgottesdiensten angefangen. Die Suchtrupps hatten sich bei St. Jude’s getroffen, der katholischen Kirche, da diese den größten Hof und seltsamerweise die kleinste Gemeinde hatte, ein Widerspruch, den Peyton Carmichael, der Mann mit dem Hund, nie ganz verstanden hatte. Vielleicht, dachte er, erwartete man dort irgendwann in der Zukunft einen Massenübertritt, worauf er sich fragte, ob die Katholiken einfach optimistischer waren als andere Leute.
    Der Polizeichef hatte das Stadtgebiet in Suchareale unterteilt, und die Bevölkerung in Trupps, denen er jeweils ein Gebiet zuwies. Die diversen Kirchen hatten braune Tüten mit Sandwiches, Kartoffelchips und Sodawasser zur Verfügung gestellt, doch die meisten Leute hatten vorsichtshalber selbst Verpflegung und Getränke mitgebracht. Entgegen den Gepflogenheiten hatte keiner seine Sonntagskleidung angezogen. Stattdessen trugen sie weite Hemden und alte Hosen, abgewetzte Stiefel und bequeme Sneaker. Einige hatten Stöcke dabei, andere Gartenrechen, um das Unterholz zu durchsuchen. Trotz der Aufgabe, die ihnen bevorstand, lag eine gedämpfte Erwartung in der Luft, eine gewisse Erregung. Mehrere Leute teilten sich die Autos, mit denen sie zu den Gebieten fuhren, die ihnen zugewiesen worden waren. Sobald ein Bereich abgesucht war, ohne dass man etwas gefunden hatte, wurde von den Cops, die die Aktion koordinierten, oder von der Einsatzleitung, die man aufgestellt und in dem Saal hinter der Kirche untergebracht hatte, ein anderer vorgeschlagen.
    Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit gewesen, als sie mit der Suche begonnen hatten, ein merkwürdiges, trügerisches Tauwetter, und der tiefe Boden und der schmelzende Schnee hatten sie viel Kraft gekostet, bevor sie gegen halb zwei eine Mittagspause einlegten. Einige ältere Leute waren um die Zeit nach Hause ge­gangen, weil sie meinten, sie hätten genügend Einsatz für die Faradays gezeigt, aber die übrigen suchten weiter. Immerhin war tags darauf Montag. Man hatte Arbeiten zu erledigen, Verpflichtungen nachzukommen. Nur diesen Tag konnten sie für die Suche nach dem Jungen opfern, deshalb wollten sie das Beste daraus machen. Aber mit dem schwindenden Licht war es auch kälter geworden, und Peyton war dankbar, dass er seine Timberland-Jacke nicht im Auto ge­lassen, sondern um seine Taille gebunden hatte, bis er sie brauchte.
    Er pfiff seiner Hündin, einem drei Jahre alten Spanielweibchen namens Molly, und wartete einmal mehr, bis sein Begleiter ihn einholte. Artie Hoyt, ausgerechnet an den musste er geraten. Die beiden Männer hatten seit ein, zwei Jahren ein eher unterkühltes Verhältnis zueinander, seit Artie Peyton dabei ertappt hatte, wie er in der Kirche den Arsch seiner Tochter betrachtet hatte. Für Artie spielte es keine Rolle, dass es nicht ganz so gewesen war, wie er meinte. Ja, Peyton hatte auf den Arsch der Tochter geschaut, aber nicht aus Lust oder weil er sie verlockend fand. Nicht dass er über solch niedere Triebe erhaben wäre – doch manchmal waren die Predigten des Pastors so dröge, dass Peyton nur der Anblick junger, ranker Frauen in ihrem Sonntagsstaat wach hielt. Peyton war längst über das Alter hinaus, in dem er sich Gedanken über die möglichen Folgen für seine unsterbliche Seele machte, wenn er in der Kirche lüsternen Gedanken nachhing. Seiner Meinung nach hatte Gott Besseres zu tun, als sich Gedanken darüber zu machen, ob Peyton Carmichael, ein vierundsechzigjähriger Witwer, sein Augenmerk eher auf weibliche Schönheiten richtete als auf den alten Wichtigtuer auf der Kanzel. Genieße dein Leben mit Wein, Weib und Gesang, wie Peytons Arzt ihm immer sagte, aber alles in Maßen und stets vom richtigen Jahrgang. Peytons Frau war vor drei Jahren an Brustkrebs gestorben, und obwohl es in der Stadt jede Menge Frauen im passenden Alter gab, die möglicherweise bereit wären, ihm an einem Winterabend Trost zu spenden, hatte er ­einfach kein Interesse daran. Er hatte seine Frau geliebt. Ab und zu fühlte er sich immer noch einsam, aber nicht mehr so oft wie früher und auch nicht ganz allgemein, sondern aus einem bestimmten Grund – er vermisste seine Frau,
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