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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden
Autoren: John Connolly
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man sich verlassen. Er war Doktorand, auch wenn er ein Jahr aussetzte, bevor er sich entscheiden wollte, in welcher Richtung er sein Ingenieurstudium fortsetzen sollte, und davon redete, ein paar Monate ins Ausland zu gehen oder bei seinem Onkel in San Diego zu arbeiten. Stattdessen war er in seiner Heimatstadt geblieben, sparte Geld, weil er bei seinen Eltern wohnte, und brachte von seinem Verdienst so viel wie er konnte zur Bank, was etwas weniger war als letztes Jahr, da er jetzt ungestraft Alkohol trinken durfte und dieser neu errungenen Freiheit vielleicht mit größerer Begeisterung frönte, als man es möglicherweise für klug halten mochte. Über die Neujahrstage hatte er ein paar mörderische Kater gehabt, das stand fest, und sein alter Herr hatte ihm geraten, ein bisschen langsamer zu treten, bevor seine Leber um Gnade schrie, aber Bobby war jung, er war unsterblich, und er war verliebt, beziehungsweise war es bis vor kurzem gewesen. Vielleicht sollte man besser sagen, dass Bobby Faraday noch verliebt war, aber das Objekt seiner Zuneigung war weitergezogen und hatte Bobby mit all seinen Gefühlen sitzenlassen. Wegen des Mädchens hatte er sich entschieden, in der Stadt zu bleiben, statt ein bisschen mehr von der Welt zu sehen, ein Entschluss, der von seinen Eltern mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden war – mit Dankbarkeit vonseiten seiner Mutter, mit Enttäuschung von seinem Vater. Anfangs hatte es deswegen ein paar Auseinandersetzungen gegeben, aber inzwischen war, wie bei zwei widerwilligen Armeen kurz vor einer ungewollten Schlacht, ein Waffenstillstand zwischen Vater und Sohn erklärt worden, auch wenn jede Seite die andere wachsam beobachtete, um zu sehen, welche sich zuerst regte. Unterdessen trank Bobby, und sein Vater kochte, hielt aber den Mund und hoffte darauf, dass das Ende der Beziehung seinen Sohn dazu bewegen möge, seinen Horizont zu erweitern, bis er im Herbst sein Studium wieder aufnahm.
    Obwohl er gelegentlich über die Stränge schlug, kam Bobby nie zu spät zur Arbeit in der Autowerkstatt mit angeschlossener Tankstelle, und für gewöhnlich ging er ein bisschen später, als er gekonnt hätte, weil es immer noch irgendetwas zu tun gab, eine ­Aufgabe, die er nicht liegenlassen wollte, auch wenn er sie am nächsten Morgen schnell und mühelos hätte erledigen können. Das war einer der Gründe, weshalb sich sein Vater trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten keine allzu großen Sorgen um die Zukunft seines Sohnes machte. Bobby war zu gewissenhaft, um lange vom rechten Weg abzukommen. Er legte Wert auf Ordnung, schon immer. Er war nie einer dieser schlampigen Teenager gewesen, weder vom Aussehen noch von seiner Einstellung her. Es war einfach nicht seine Art.
    Aber in der Nacht zuvor war er nicht heimgekommen, und er hatte auch nicht angerufen und seinen Eltern mitgeteilt, wo er war, und das war an sich schon ungewöhnlich. Dann erschien er am nächsten Morgen auch nicht zur Arbeit, was so untypisch war, dass Ron Nevill, dem die Tankstelle gehörte, bei den Faradays zu Hause anrief, um sich nach dem Jungen zu erkundigen und sich davon zu überzeugen, dass er nicht krank war. Seine Mutter äußerte sich überrascht darüber, dass ihr Sohn nicht bei der Arbeit war. Sie hatte einfach angenommen, er wäre spät nach Hause gekommen und früh gegangen. Sie schaute in seinem Schlafzimmer nach, das sich neben dem Hobbyraum im Keller befand. Sein Bett war unberührt, und nichts deutete darauf hin, dass er stattdessen die Nacht auf der Couch verbracht hatte.
    Als sie um drei Uhr nachmittags immer noch nichts von ihm gehört hatte, rief sie ihren Mann bei der Arbeit an. Gemeinsam erkundigten sie sich bei Bobbys Freunden, Bekannten und seiner Exfreundin Emily Kindler. Der letzte Anruf war heikel, da sie und Bobby sich erst vor zwei Wochen getrennt hatten. Sein Vater vermutete, dass dies der Grund dafür war, dass er mehr trank, als er sollte, aber er wäre nicht der erste Mann, der Liebeskummer mit einem Meer von Alkohol zu ertränken versuchte. Der Haken dabei war, dass enttäuschte Liebe durch Alkohol Auftrieb bekam – je mehr man versuchte, sie nach unten zu drücken, desto eher kam sie wieder hoch.
    Niemand hatte seit dem Vortag etwas von Bobby gehört oder gesehen. Als es sieben Uhr abends wurde, riefen sie bei der Polizei an. Der Chef war skeptisch. Er war neu in der Stadt, kannte sich aber mit den Gewohnheiten junger Leute aus. Trotzdem sah er ein, dass dieses Verhalten ungewöhnlich
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