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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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konnte, drückte Latil ab. Der kleine Körper fiel zerfetzt über die Knie des sitzenden Eline und rutschte von seinem Schoß, seine ganze Hose war mit Blut besudelt. Er sah nach unten und dann wieder zu ihr hoch, lächelnd.
    »Jetzt erschießt du schon Kinder…«
    »Sei still«, sagte sie.
    Die Entladung blendete sie für eine Sekunde. Als sie wieder klar sehen konnte, war der Stuhl umgefallen und der leblose Körper lag daneben. Sie ging näher heran, nachdem sie über das Kindermondo hinweggestiegen war, und sah Eline immer noch lächeln, obwohl das Loch in seiner Brust so groß war, dass es vielleicht nur noch eines kräftigen Fußtritts bedurft hätte, um seinen Körper vollends zweizuteilen. »Sei endlich still«, sagte sie und hielt die Gabelendung noch einmal über sein Gesicht. Doch bevor sie abdrücken konnte, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Es wurde entsetzlich hell im Saal. Die Ränder ihres eigenen Anzugs glühten weiß. Als ihr Visier die Durchlässigkeit des Glases Mikrosekunden später automatisch nachreguliert hatte, drehte sie sich um und blickte zu den Plattformen auf. Die Soldaten sahen immer noch aus, als würden sie geröntgt. Sie standen in einem Feuer, das von einem violett glühenden Zentrum ganz in ihrer Nähe ausging. Latil begriff erst nach ein paar Sekunden, dass der Große Begleiter selbst noch nicht explodiert war, sondern nur das Mondo des Opals, das den Fortschritt der Vernichtung während der ganzen Rede Elines dargestellt hatte. Aus dem langsam abflauenden Weiß der Explosion lief jemand auf sie zu, schreiend, und erst daran, dass sie dieses Geschrei überhaupt wahrnehmen konnte, merkte sie, dass die Explosion lautlos gewesen war. Eline hatte dafür gesorgt, dass er während seiner Rede nicht von einem gewaltigen Explosionsdonner gestört werden konnte. Möglicherweise hatte er seine wohl einstudierte Rede auf den explodierenden Opal abgestimmt, aber der Opal hatte den Zeitplan leider nicht genau eingehalten, oder Eline war früher gestorben als vorgesehen.
    Jedenfalls lief jetzt jemand auf sie zu, schreiend, und die Hauptfrage für die nächsten zwei Sekunden bestand darin, ob sie ihn in Fetzen schießen sollte oder nicht. Sie ließ es bleiben und freute sich darüber, als sie den Schreienden erkannte: Eytarri. Er schrie ohne Unterlass, fauchte, keuchte, trillerte und röchelte, aber seine Arme und seine restliche Mimik hatten damit nichts zu tun. Er wirkte wie besessen, aus seinem Mund sprach ein böser Geist, aber der Rest seines Körpers bewegte sich nach durchaus verständlichen Regeln: Mit der Hand, in der er seine Waffe trug, zeigte er auf etwas hinter Latils Rücken, und wenn sein Kinn Zeit dazu hatte, ruckte es in dieselbe Richtung. Latil drehte sich um und bemerkte dabei, wie die Erde bebte. Auf einem der gewölbten Fenstersegmente, aus denen sich die Glaskuppel über dem Saal zusammensetzte, zeichneten sich zwei Kreise ab. Ah, dachte sie, ohne zu begreifen. Die von den Kreisen umfassten Flächen veränderten sich. Es schien, als würden sie schmelzen. Glühende Fetzen tropften zu Boden. Durch die Löcher traten zwei kristallene Strukturen in den Saal ein, sie zerteilten die glühende Luft wie einen Vorhang. Plötzlich lag ein Stöhnen und Ächzen in der Luft, als würden meterdicke Stahlplatten von riesigen Händen verbogen. Eytarri gackerte, zischte und sabberte, und als die kristallenen Strukturen aus den glühenden Kreisen ausgetreten waren, begann er zu laufen. Geradeaus zu laufen war schwierig geworden. Bei manchen Schritten sprang einem der Boden entgegen. Eytarri stolperte und fiel, aber er rappelte sich wieder auf und lief weiter. Sein Geschrei war jetzt in dem allgemeinen Lärm kaum noch zu hören. Weil Latil keine bessere Idee hatte, rannte sie ihm hinterher. Die Kristallkugeln waren weiter entfernt, als sie dachte. Der Boden war flexibel wie Gummi. Als sie schließlich unter der Einstiegsöffnung einer Kristallkugel stand, dachte sie: Warum schickt uns jemand Fähren? Wie zur Antwort wurde sie von einer mächtigen Verwerfung des Bodens buchstäblich in die Fähre hineingekegelt. Mit einem schnellen Rundumblick erkannte sie, dass Eytarri von der anderen Kugel aufgenommen worden war. Dort hinten lagen die Leichen Elines und des Kindermondos, noch weiter hinten die ins orangefarbene Licht der Opalexplosion getauchten Plattformen. Eine einsame Gestalt rannte auf sie zu. Sie glaubte zu wissen, wer es war. Sie dachte und schrie »Nein!« Dann setzte eine
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