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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Miene.
    »Die Gründungsakte des Sektors?«
    »Wir verstehen selten alles, bevor wir handeln – «, begann das Lexikon in Taa zu rezitieren.
    »Danke«, unterbrach Latil eilig, nicht ohne bemerkt zu haben, dass das Lexikon schon einige Jahre nicht mehr Taa gesprochen hatte, die Peptide in dem kleinen silberfarbenen Tütchen waren aktueller gewesen.
    »Der große Schritt?«, sagte sie.
    »2411«, antwortete der Freund.
    »Ich will ihn kaufen«, sagte Latil zu dem Händler, und erst an seinem fragenden Gesichtsausdruck merkte sie, dass sie Taa mit ihm gesprochen hatte.
    »Ich will ihn kaufen!«, sagte sie auf Standard.
    »Ich gebe ihn dir für 4,5 % TB, wenn du mir dein Raumzeichen sagst.«
    »Medusa«, sagte sie und streckte ihr rosafarbenes Chipgehäuse in die Höhe. Er hielt seinen linken Stumpf für eine Sekunde in die Nähe des Chips, und die Zählanzeige sprang um 4,5% zurück. Latil manövrierte ihre Beine schon durch die Eingangsöffnung des Zelts, als der Händler sagte: »Einer meiner Hauptväter hat vom Opal immer gesagt, dass – «
    »Ich bin ein Flaschenkind«, antwortete Latil, den Kopf zurückgebeugt, und schob sich schnell aus dem Zelt hinaus, bevor er antworten konnte. Astrologen!, dachte sie verächtlich. Sie kannte ihr Raumzeichen nicht einmal. Für einen solchen Schnickschnack hatte sie keine Zeit.
    Die Raumstadt hatte einige Sonnen angezündet. Die Käufer und Händler wichen ihnen vorsichtig aus, obwohl sie völlig harmlos waren. Als sie auf einen der Druckstutzen zukletterte, erfüllte plötzlich ein hoher Ton den ganzen Markt, und zwischen den Sonnen materialisierten sich Münder. Als sie sprachen, schimmerten ihre Zähne im Licht der Sonnen.
    »Bitte haltet euch fest«, sagten die Münder in besorgtem Tonfall. »Wir leiten eine Bahnkorrektur ein. Niemand soll zu Schaden kommen. Haltet euch fest. Sichert eure Waren. Niemand soll zu Schaden kommen.«
    Latil kletterte unbekümmert weiter. Ernste Warnungen klangen anders. Am Druckstutzen hatte ein Fettsack Mühe, sich in eine der Kabinen hineinzuverfrachten. So lange er nicht losgefahren war, war der Druckstutzen blockiert. Sein Gefummle und Geschiebe machte Latil so nervös, dass sie mit einem Tritt in seinen Hintern nachhalf und mit der flachen Hand auf den Startknopf schlug, während sich die Kabine automatisch versiegelte. Hoffentlich fuhr er nicht zur Hölle, wo die Abfälle der Raumstadt recycelt wurden. Sie schlängelte sich selbst in die nächste frei gewordene Kabine hinein und ließ sich auf das Fremdendeck schießen. Als die Kabine beschleunigte, fragte sie sich kurz, wen die Münder eigentlich immer mit ›wir‹ meinten.
    Der Infoguru kam genau auf sie zu. Sie war so schwach vor Nervosität, sie hatte so wenig gegessen und geruht, dass sie sich nicht wehren konnte, und der Infoguru spürte das mit der Sicherheit des geborenen Missionars. Als er vor ihr stand, verfluchte sie den Hafenmeister, seine Mutter, seine Großmutter und seinen ganzen Stammbaum bis ins zehnte Glied vor seiner Geburt.
    »Hallo«, sagte der Infoguru mit der weichen Stimme, die allen Missionaren eigen ist, wenn sie auf Jagd sind. Sein schwarzer, eng anliegender Anzug schloss an seinem Hals mit einem messerscharfen Kragen ab. Die Augen waren so groß, dass sie fast die ganze obere Gesichtshälfte einnahmen. Aus seiner ansonsten kahlen Kopfhaut ragten kurze schwarze Stifte.
    »Wie heißt du?«, fragte Latil in einem flüchtigen Versuch der Gegenwehr, weil sie wusste, dass die Infogurus diese Frage nicht mochten. Ich will mein Schiff sehen, dachte sie. Die Tür zur Kabine des Hafenmeisters war immer noch verschlossen, wie zugeschweißt, seit einer Viertelstunde. Das blaue gewellte Plastikband, auf dem sie seit einer Stunde saß, fühlte sich plötzlich heiß an. Wenn sie ihr Rendezvous mit der Passage englouti verpasste, konnte sie nur noch als Ziege in einem Billigbums anheuern: Dann würden die Tage vergehen, indem sie ihren Hintern an ein gelochtes Brett heftete, damit die Matrosen ihr Ding in sie hineinsteckten. Sie tat, als würde sie den Infoguru nicht sehen, und nestelte den Freund aus ihrer Tasche.
    »Ich bin ein Heiliger«, sagte der Infoguru, nachdem er zu Ende überlegt hatte.
    Latil fragte den Freund auf Taa: »Was ist eine Ziege?«
    »Ein Haustier auf der Erde. Die Ziege gilt seit alters her – «
    »Danke«, sagte Latil und schaltete den Freund wieder ab.
    Der Infoguru hatte höflich abgewartet, bis sie mit ihrem Gespräch fertig war. Latil wusste, er
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