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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch
Autoren: Daniel Silva
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los, Uzi? Erzähl mir bloß nicht, dass Bella dir wieder eine Diät verordnet hat?«
    »Wie kommst du darauf, dass ich je aufgehört habe, auf Diät zu sein?«
    »Weil du dicker geworden bist.«
    »Nicht jeder ist wie du mit schlankem Körperbau und guter Verbrennung gesegnet, Gabriel. Meine Vorfahren waren dickliche österreichische Juden.«
    »Wozu also gegen die Natur ankämpfen? Nimm dir eins, Uzi – und wenn’s nur zur Tarnung ist.«
    Das von Navot ausgewählte Törtchen, eine kleine Trompete mit Sahnefüllung, verschwand mit zwei Bissen. Er zögerte kurz, dann wählte er ein Mandeltörtchen. Es verschwand in der Zeit, die Gabriel brauchte, um ein Tütchen Zucker in seinen Cappuccino zu kippen.
    »Ich hatte im Flugzeug keine Zeit, etwas zu essen«, sagte Navot verlegen. »Bestell mir einen Kaffee.«
    Gabriel bestellte einen weiteren Cappuccino, dann sah er wieder zu Navot hinüber. Der starrte weiter die Törtchen an.
    »Trau dich nur, Uzi. Das erfährt Bella nie.«
    »Das glaubst auch nur du. Bella bekommt alles mit.«
    Bella hatte als Analystin in der Syrien-Abteilung des Diensts gearbeitet, bevor sie einen Ruf an die Ben-Gurion-Universität angenommen hatte, wo sie Levantinische Geschichte lehrte. Obwohl Navot als Geheimagent und erfahrener Agentenführer die Kunst der Manipulation glänzend beherrschte, war es ihm nicht gelungen, sie jemals zu täuschen.
    »Stimmt das Gerücht?«, fragte Gabriel.
    »Welches Gerücht meinst du?«
    »Dass ihr geheiratet habt. Dass es in Caesarea eine stille Hochzeit am Meer gegeben hat – nur mit Angehörigen und engsten Freunden. Und natürlich mit dem Alten. Kein Chef der Operationsabteilung könnte ohne Schamrons Segen heiraten.«
    Die Operationsabteilung war »die dunkle Seite eines dunklen Diensts«, wie sie von Insidern bisweilen beschrieben wurde. Ihre Leute übernahmen die Aufträge, die sonst niemand übernehmen wollte oder sich zu übernehmen traute. Sie waren Scharfrichter und Kidnapper, Abhörspezialisten und Erpresser, intelligente und einfallsreiche Männer und Frauen, die größere kriminelle Energie besaßen als die Kriminellen selbst, mehrsprachige Chamäleons, die in den besten Hotels und Salons Europas ebenso zu Hause waren wie in den finstersten Gassen Beiruts oder Bagdads. Navot hatte es nie verwinden können, dass er nur deshalb Chef der Operationsabteilung geworden war, weil Gabriel diesen Posten abgelehnt hatte. Er war kompetent, wo Gabriel brillant war, und vorsichtig, wo Gabriel manchmal leichtsinnig war. In jedem anderen Geheimdienst, in jedem anderen Land wäre er ein Star gewesen. Aber der Dienst hatte schon immer Leute wie Gabriel bevorzugt, deren Kreativität nicht durch Orthodoxie gebremst wurde. Navot, der bereitwillig zugab, nur ein ganz gewöhnlicher Agent zu sein, hatte sich während seiner gesamten Laufbahn im Schatten Gabriels abgemüht.
    »Bella wollte, dass möglichst wenige Leute aus dem Dienst eingeladen werden.« Navots Tonfall klang wenig überzeugend. »Sie wollte nicht, dass der Empfang wie ein Treff von Spionen aussieht.«
    »Bin ich deshalb nicht eingeladen worden?«
    Navot widmete sich einige Sekunden lang der Aufgabe, ein paar Krümel zu einem kleinen Häufchen zusammenzuschieben. Gabriel beobachtete ihn dabei. Eine Hinhaltetaktik dieser Art bezeichneten Verhaltensforscher als Übersprungshandlung.
    »Red schon, Uzi. Ich verspreche dir, dass ich nicht beleidigt bin.«
    Navot wischte die Krümel mit dem Handrücken vom Tisch und starrte Gabriel einen Augenblick lang schweigend an. »Du warst nicht zu meiner Hochzeit eingeladen, weil ich dich nicht dabeihaben wollte. Nicht nach diesem Stunt, den du dir in Moskau geleistet hast.«
    Die junge Frau servierte Navot seinen Cappuccino, dann zog sie sich hinter ihre Glasbarrikade zurück, weil sie die Spannung zwischen den beiden Männern spürte. Gabriel spähte durchs Fenster nach draußen und beobachtete drei alte Männer, die dick eingemummt gegen die plötzlich eingebrochene Kälte den Gehsteig entlangschlurften. In Gedanken war er jedoch in Moskau, an einem regnerischen Augustabend. Er stand auf einem trübseligen kleinen Platz gegenüber einem hoch aufragenden stalinistischen Wohnblock, der als »Haus an der Uferstraße« bekannt war. Navot umklammerte seinen Arm mit Bärenkräften und sprach ruhig in sein Ohr. Er sagte, ihr Unternehmen mit dem Ziel, die Geheimunterlagen des russischen Waffenhändlers Iwan Charkow zu stehlen, sei fehlgeschlagen. Ari Schamron, ihrer beider Chef
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