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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch
Autoren: Daniel Silva
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Versprechen, Gabriel. Vergiss dein Versprechen nicht.«
    »Ich hab’s nicht vergessen.«
    »Gut.« Navot stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich möchte, dass du mir jetzt gut zuhörst. Wir fahren anschließend in deine Blumenvilla, wo du deine Sachen packen wirst. Dann begeben wir uns nach Rom, um in der Botschaft zu übernachten. Und wenn morgen früh die Zehn-Uhr-Maschine vom Flughafen Fiumicino nach Tel Aviv startet, sitzen wir beide darin – nebeneinander, in der zweiten Reihe der ersten Klasse.«
    »Wieso das?«
    »Weil Oberst Grigorij Bulganow verschwunden ist.«
    »Was soll das heißen – verschwunden?«
    »Ich meine wirklich verschwunden, Gabriel. Nicht mehr unter uns weilend. In Luft aufgelöst. Verschwunden. «

5 A MELIA , U MBRIEN
    »Seit wann wird er vermisst?«
    »Seit ungefähr einer Woche.«
    »Bitte etwas genauer, Uzi.«
    »Oberst Grigorij Bulganow ist zuletzt am Dienstagabend gesehen worden, als er um 18.12 Uhr auf der Londoner Harrow Road in einen Mercedes eingestiegen ist.«
    Sie waren in der Abenddämmerung auf einer gepflasterten schmalen Gasse in der Altstadt von Amelia unterwegs. Mit einigen Schritten Abstand folgten ihnen zwei rehäugige Leibwächter. Das war ein beunruhigendes Zeichen. Normalerweise begnügte Navot sich damit, auf Reisen zu seinem Schutz eine Bat leveja – eine Begleitoffizierin – mitzunehmen. Dass er zwei ausgebildete Killer mitgebracht hatte, zeigte deutlich, wie ernst er die Gabriel drohende Gefahr nahm.
    »Wann haben die Engländer Zeit gefunden, uns zu informieren?«
    »Sie haben die Londoner Station am Samstagnachmittag – vier Tage nach dem Vorfall – eher beiläufig verständigt. Wegen des Sabbats war der Offizier vom Dienst ein Junge, der nicht ganz verstanden hat, was uns mitgeteilt wurde. Er hat eine Meldung getippt und mit niedriger Dringlichkeitsstufe zum King Saul Boulevard geschickt. Zum Glück hat der Wachhabende der Europaabteilung die Brisanz der Meldung erkannt und sofort einen Höflichkeitsanruf bei Schamron getätigt.«
    Gabriel schüttelte den Kopf. Obwohl der Alte schon lange nicht mehr ihr Chef war, war der Dienst weiter seine private Domäne. Sie war von Männern wie Gabriel und Navot bevölkert, die Schamron selbst angeworben und ausgebildet hatte, die seine Überzeugungen und selbst seine Sprache angenommen hatten. In Israel war Schamron als der Memuneh, der Verantwortliche, bekannt, und das würde er auch bleiben, bis er zu dem Schluss gelangte, sein Land sei nun so ungefährdet, dass er sterben dürfe.
    »Und Schamron hat vermutlich dich angerufen«, sagte Gabriel.
    »Das hat er getan – aber nicht besonders höflich. Er hat mich angewiesen, dir eine Nachricht zu schicken. Dann sollte ich mir ein paar Jungs schnappen und nach Rom fliegen. Das scheint mein Los zu sein: der gehorsame jüngere Sohn, der alle paar Monate in die Wildnis geschickt wird, um seinen eigensinnigen älteren Bruder aufzuspüren.«
    »Stand Grigorij unter Überwachung, als er in das Auto gestiegen ist?«
    »Offenbar nicht.«
    »Woher wissen die Engländer dann so genau, was passiert ist?«
    »Ihre kleinen elektronischen Helfer haben alles beobachtet.«
    Navot meinte das CCTV, das allgegenwärtige Netzwerk aus zehntausend Überwachungskameras, mit dem die Londoner Metropolitan Police sämtliche kriminellen oder sonstigen Aktivitäten auf so gut wie allen Straßen der britischen Hauptstadt überwachen konnte. Eine staatliche Untersuchung war vor Kurzem zu dem Ergebnis gekommen, das System habe seinen Hauptzweck – Verbrechen verhindern und Straftäter fassen helfen – nicht erfüllt. Nur drei Prozent aller Raubüberfälle wurden durch das CCTV aufgeklärt, und die Zahl der in London verübten Straftaten stieg weiter steil an. Verlegene Polizeisprecher versuchten den Misserfolg zu bemänteln, indem sie darauf hinwiesen, dass Straftäter als Reaktion auf die Kameras ihre Taktik geändert hatten und sich jetzt mit Mützen oder Sturmhauben tarnten. Offenbar hatte keiner der Verantwortlichen diese Möglichkeit bedacht, bevor Hunderte von Millionen Pfund ausgegeben worden waren, um die Öffentlichkeit in beispiellosem Umfang zu bespitzeln. Die Bürger des Vereinigten Königreichs, der Wiege der westlichen Demokratie, lebten jetzt in einer Orwellschen Welt, in der die Augen des Staats jede ihrer Bewegungen überwachten.
    »Wann haben die Engländer entdeckt, dass er verschwunden ist?«, fragte Gabriel.
    »Erst am folgenden Morgen. Er sollte sich
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