Der Oligarch
Gemälde«, sagte Gabriel. »Ich kann nicht weg, bevor es fertig ist.«
»Wie lange?«, fragte Navot.
Drei Monate, dachte Gabriel. Aber er sagte: »Drei Tage.«
Navot seufzte. Er leitete eine Abteilung, die aus mehreren hundert hochspezialisierten Agenten bestand – und einem einzigen, dessen Agieren von dem unberechenbaren Rhythmus der Restaurierung Alter Meister abhing.
»Deine Frau ist noch in Venedig, oder?«
»Sie kommt heute Abend zurück.«
»Sie hätte mir vor ihrer Abreise mitteilen müssen, dass sie nach Venedig fliegt. Du bist freiberuflich tätig, Gabriel, aber deine Frau ist in Vollzeit bei der Operationsabteilung angestellt. Folglich muss sie ihren Vorgesetzten – das heißt: mich – über alle beruflichen und privaten Reisen auf dem Laufenden halten. Vielleicht bist du so liebenswürdig, ihr diese Tatsache ins Gedächtnis zu rufen.«
»Ich kann’s versuchen, Uzi, aber sie hört eigentlich nie auf mich.«
Navot funkelte Gabriel an, dann sah er auf seine Armbanduhr, ein klobiges Ding aus Edelstahl, das vieles konnte, nur nicht die genaue Zeit anzeigen. Sie war eine neuere Version der Uhr, die Schamron trug, und Navot hatte sie allein deshalb gekauft.
»Ich habe einiges in Paris und Brüssel zu erledigen. In drei Tagen komme ich wieder vorbei, um Chiara und dich abzuholen. Wir fliegen gemeinsam nach Israel zurück.«
»Ich bin sicher, dass wir den Flughafen allein finden werden, Uzi. Wir sind beide gut ausgebildet.«
»Genau das macht mir Sorgen.« Navot drehte sich nach den Leibwächtern um, die er mitgebracht hatte. »Übrigens bleiben diese beiden hier bei dir. Betrachte sie als schwer bewaffnete Hausgäste.«
»Ich brauche sie nicht.«
»Das hast nicht du zu entscheiden«, sagte Navot.
»Gehe ich richtig in der Annahme, dass sie kein Italienisch sprechen?«
»Sie sind Siedlerjungen aus Judäa und Samaria. Sie können kaum Englisch.«
»Wie soll ich ihre Anwesenheit dann dem Personal erklären?«
»Das ist nicht mein Problem.« Navot hielt Gabriel drei seiner dicken Finger vors Gesicht. »Du hast drei Tage Zeit, dieses verdammte Gemälde fertigzustellen. Drei Tage. Danach fliegen deine Frau und du heim.«
7 V ILLA DEI F IORI , U MBRIEN
Gabriels Atelier lag im Halbdunkel, das Altargemälde war nur schemenhaft zu erkennen. Er versuchte daran vorbeizugehen, aber es gelang ihm nicht – wie immer war die Anziehungskraft einer im Werden begriffenen Restaurierung viel zu stark. Nachdem er eine einzelne Halogenlampe eingeschaltet hatte, betrachtete er die hochgereckte blasse Hand. Sekundenlang schien sie nicht dem Heiligen Petrus, sondern Grigorij Bulganow zu gehören. Und sie war nicht Gott, sondern Gabriel entgegengestreckt.
Eines müssen Sie mir versprechen, Gabriel. Versprechen Sie mir, dass ich nicht in einem namenlosen Grab enden werde.
Die Vision wurde durch Gesang unterbrochen. Gabriel schaltete die Lampe aus und stieg die Steintreppe in sein Zimmer hinauf. Sein Bett, das er ungemacht zurückgelassen hatte, sah jetzt aus, als sei es für Werbeaufnahmen von einer professionellen Stylistin hergerichtet worden. Chiara rückte eben die beiden Zierkissen zurecht: zwei runde Kissen mit weißem Spitzenbesatz, die Gabriel immer achtlos zu Boden warf, bevor er unter die Decke schlüpfte. Am Fußende lagen eine Reisetasche und eine Beretta. Gabriel verfrachtete die 9-mm-Pistole in die obere Nachttischschublade und stellte das Radio leiser.
Chiara sah auf, als sei sie von seiner Gegenwart überrascht. Sie trug ausgebleichte Jeans, einen beigen Pullover und Wildlederstiefel, die sie noch drei Zentimeter größer machten. Ihre dunklen Locken, in denen rötliche und kastanienbraune Strähnen schimmerten, ergossen sich, durch eine Nackenspange gebändigt, über ihre rechte Schulter. Ihre bernsteingelben Löwenaugen waren etwas dunkler als sonst. Das war kein gutes Zeichen. Chiaras Augen waren ein zuverlässiges Stimmungsbarometer.
»Ich habe dein Auto nicht gehört.«
»Vielleicht solltest du das Radio weniger laut aufdrehen.«
»Wieso hat Margherita das Bett nicht gemacht?«
»Ich wollte nicht, dass sie hier reinkommt, während du weg bist.«
»Und dir war die Mühe natürlich zu viel.«
»Ich konnte die Gebrauchsanweisung nicht finden.«
Chiara schüttelte langsam den Kopf, um ihre Missbilligung auszudrücken. »Wer alte Meister restaurieren kann, Gabriel, kann auch ein Bett machen. Was hast du als Jugendlicher nur gemacht?«
»Meine Mutter hat versucht, mich dazu zu
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