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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert
Autoren: Sobo
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und sollte als Erstgebot einen Dollar kosten. Die Auktion war eröffnet.
    »cool«, sagte Jenny.
    * * *
    Drei Tage später war ich für sechs Dollar versteigert und in einem Paket unterwegs zu meinem neuen Besitzer.
    Ab ging die Post!

1997 – 1998, Herozero, Cyberspace, Zürich, Schweiz
    Als ich in dem dunklen Paket lag, versuchte ich alles um mich her auszublenden. Während ich so durch die Gegend geworfen wurde, stellte ich mir vor, ganz woanders zu sein. Weit weg. Irgendwo, wo es keine ratternden Maschinen, keine Dunkelheit, Luftknappheit und Kälte gab. Wo keine tiefen Tonnen, rüttelnden Lastwagen und dunklen Flugzeuggepäckräume auf der Tagesordnung standen.
    Ich flüchtete mich vor dieser grauenvollen Realität in eine Fantasiewelt, in die Welt meiner Gedanken. Ich wusste gar nicht, dass so etwas möglich war, aber ehe ich mich’s versah und auf dem Boden der Tatsachen landen konnte, war ich der Wirklichkeit übel riechender Lagerräume und unhöflicher Angestellter entflohen. Allerdings war ich in eine umgebung geraten, die ich mir vorher nicht einmal hätte ausdenken können. Das hatte nichts mehr mit meiner Fantasie zu tun. Das war die Fantasie von jemand anderem.
    Aber von wem?
    Wo war ich?
    Moment mal! Hatte ich das nicht schon einmal erlebt? Oder zumindest gedacht, es erlebt zu haben?
    Mir schien, als wäre das Vorhergegangene ein Déjà-vu-Erlebnis. Mein Déjà-vu-Erlebnis. Alles kam mir bekannt vor. Als wäre ich in eine Filmrolle gerutscht und müsste nun immer wieder dasselbe erleben.
    Nur war es nicht dasselbe.
    Es schien, als wäre ich dieses Mal tatsächlich in eine virtuelle Welt gerutscht wie in einem Computeranimierten Spiel, das jetzt auf einem riesigen Bildschirm vor mir aufleuchtete.
    »He, Kleiner!«, hörte ich eine Stimme, die ich noch nie gehört hatte. »Halt dich fest!«
    Es war ein furchterregend aussehendes Wesen mit einem vogelähnlichen Gesicht, gekleidet in einen silbern und schwarz glänzenden Overall. Es war mit einem glitzernden Gürtel behangen und trug ein Gewehr auf dem Rücken.
    »Du bist zwischen die Fronten in einem Computerspiel geraten«, sagte das Wesen.
    »Computerspiel?«, fragte ich, als hätte ich keine Ahnung von nichts. Das wäre mir vor Jahrzehnten sicher nicht passiert.
    »Klar, im Cyberspace. Aber keine Angst. Halt vorerst einfach die Augen geschlossen. Sie werden uns schon nicht kriegen.«
    »Wer?«, fragte ich mich und ließ die Augen wie befohlen zu. »Wer wird uns nicht kriegen?«
    »Dafür sorge ich«, sagte der Typ. »Na los, komm schon!«
    Er griff nach mir, steckte mich in seinen Gürtel und flog auf seinem Gefährt, das an eine Mischung aus fliegendemTeppich und Dreirad erinnerte, durch die Lüfte davon. Der Wind heulte wie ein Wolfsrudel.
    Ich dachte an Opa Gässler, an Julius, an die Krauses. Dann an Asija, die jetzt bestimmt schon auf dem Pritschenwagen saß und einer unsicheren Zukunft entgegenfuhr. Dann an Suzanna, die im Bus saß und Asija nachtrauerte. Ich dachte an …
    »Augen auf!«, rief der Typ plötzlich, während mir die Luft um den Körper peitschte.
    Ich öffnete die Augen und sah … Sand! Wüste!
    Tatsächlich: unter uns war Wüste, so weit das Auge reichte. Der Typ landete vor einem meterhohen Kaktus, der sich plötzlich vor unseren Augen verwandelte. Die Stacheln wurden zu Armen, die nach uns griffen, doch der Typ hieb mit einer Art Schwert um sich und schlug die Arme vom Kaktus ab. Aber kaum war ein Arm abgeschlagen, wuchs in Windeseile ein neuer nach.
    Was ist das denn? , dachte ich. Das ist ja ein Kampf, der niemals endet und der nicht gewonnen werden kann. Das schien auch der Typ einzusehen, denn er hielt plötzlich inne. Der Kaktus mit den Armen ebenfalls. Sie standen sich stumm gegenüber wie in einem Duell, bis der Kaktus fragte: »Wie lange hat der Zweite Weltkrieg gedauert?«
    Was soll das jetzt? Ist das ein Ratespiel? Seit wann beschäftigt sich die Cyberwelt mit der wirklichen Vergangenheit?
    »A. zwei Jahre, B. tausend Jahre, C. sechs Jahre?«, fragte der Kaktus. Noch immer stand er uns gegenüber, die Arme ausgestreckt und bereit zuzupacken.
    Der Typ mit dem vogelähnlichen Kopf schien Probleme zu haben, die Frage zu beantworten. Offenbar hatte er keineAhnung vom Zweiten Weltkrieg, von realer vergangener Geschichte.
    Der Kaktus zählte rückwärts. »Zehn, neun, acht, sieben …«
    »Sechs!«, flüsterte ich dem Typ zu.
    »Drei, zwei …«
    »c!«, kam aus dem Mund des Vogelgesichts.
    Der Kaktus leuchtete
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