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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder
Autoren: Helene Tursten
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er in Wirklichkeit war. Die Kollegen traten gemessenen Schrittes ans Geländer und gingen dann zur Balkonecke in der großen offenen Bibliothek. Irene Huss kehrte wieder zu Henrik zurück, und gemeinsam gingen die beiden schweigend die Treppe hinauf. Im oberen Stockwerk war der Zigarrenduft sehr viel deutlicher zu riechen. Sie gingen am Geländer entlang, in die geräumige Bibliothek. Links von sich sah Irene eine Halle und einen Flur mit mehreren Türen. Sie begriff, dass hier die übrigen Zimmer und die Sauna liegen mussten. Die Sauna … Sie verlangsamte ihren Schritt und blieb stehen. Jetzt konnte sie identifizieren, welcher Geruch vom Zigarrenduft überdeckt wurde.
    Sie holte tief Luft und drehte sich Henrik zu.
    »Wissen Sie, wonach es riecht?«
    Er schnupperte kurz und nickte.
    »Nach Eukalyptus. Mein Vater war in der Sauna. Das erklärt auch, warum er den Bademantel anhatte«, antwortete er mit einem leichten Zittern in der Stimme.
    Schnell zogen die Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei, der zerschmetterte Richard von Knecht, bekleidet mit einem dicken Bademantel aus weinrotem Samtfrottee, seine nackten Beine in verdrehter Position, weiß in der Scheinwerferbeleuchtung der Spurensicherung, und die braunen Lederpantoffeln, ein paar Meter von der Leiche entfernt. Sie erschauerte und konzentrierte sich auf ihre Kollegen an der Balkontür. Die drei Männer standen wortlos vor der verschlossenen Tür. Langsam drehte sich Kommissar Andersson um und schaute Henrik von Knecht ernst an: »Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es einige Anzeichen dafür gibt, dass Ihr Vater getötet wurde. Die Balkontür ist von innen verschlossen, der Schlüssel steckt und der Türgriff ist heruntergedreht. Und auf der Außenseite gibt es keinen Griff.«
    Das war zu viel für Henrik von Knecht. Er sank direkt vor der Balkontür auf die Knie, die Hände vors Gesicht geschlagen, und begann zu weinen, leise und trocken. Irene rief einen Streifenwagen, der ihn und seinen weißen Mercedes nach Hause bringen sollte.
     
    Während sie auf die Ankunft des Streifenwagens warteten, fragte Irene Huss, ob er versuchen wollte, ihr einige Fragen zu beantworten. Er nickte bejahend. Sie begann ganz neutral: »Wo wohnen Sie?«
    »Örgryte. Långåsliden.«
    »Ist jemand bei Ihnen, oder sollen wir jemanden benachrichtigen?«
    »Meine Frau ist zu Hause.«
    »Ach so.«
    Irene hörte selbst, wie dumm das klang, aber sie war einfach überrascht davon, dass Henrik von Knecht eine Frau hatte. Schnell versuchte sie ihre Verblüffung zu überspielen: »Weiß Ihre Frau, was heute Abend passiert ist?«
    Er schüttelte den Kopf, ohne die Hände vom Gesicht zu nehmen.
    »Wenn ich es recht verstanden habe, dann befanden Ihre Mutter und Sie sich auf der Straße, als Ihr Vater hinunterfiel. Sie stiegen gerade aus dem Auto, stimmt das?«, fuhr sie fort.
    Er blieb eine ganze Weile unbeweglich sitzen. Irene überlegte, ob er die Frage überhaupt verstanden hatte. Sie wollte sie bereits neu formulieren, als er seine Hände herunternahm und sie direkt ansah. Wieder begegnete ihr diese steife Maske. Auch wenn seine Augen glänzten, es lag eine Eiskruste unter den Tränen. Er strich sich mit einer müden Geste über das Gesicht.
    »Entschuldigung … Was haben Sie gefragt?«
    Irene stellte ihre Frage noch einmal. Er holte tief Luft, bevor er antwortete: »Wir haben auf der anderen Seite geparkt, an der Ecke der Aschebergsgatan. Ich habe gar nicht gesehen, dass was passiert ist, bin nur ums Auto gegangen, um meiner Mutter zu öffnen. Da hörte ich einen Schrei. Ich sah, dass … dass da etwas auf dem Boden lag und dass Menschen dorthin rannten. Meine Mutter lief auch hin. Sie fing an zu schreien. Ich rief von meinem Handy aus die Polizei an. Ja, den Rest kennen Sie ja.«
    »Wo waren Sie und Ihre Mutter gewesen?«
    »Wir hatten abgemacht, uns in Landsvetter zu treffen. Sie kam mit einem Flugzeug aus Stockholm, das eine Viertelstunde nach meinem landete. Aus London. Es war reiner Zufall, dass unsere Flüge so zusammenfielen. Das haben wir Samstag bemerkt, auf dem Fest. Mama und Papa feierten ihren dreißigjährigen Hochzeitstag …«
    Er schluckte und verstummte. Irene Huss sah ein, dass er an seinen Grenzen angelangt war.
    »Wir werden morgen sicher noch ausführlicher miteinander reden müssen. Möchten Sie, dass wir zu Ihnen kommen, oder wollen Sie im Präsidium vorbeischauen?«
    »Ich komme ins Präsidium.«
    »Geht es um elf? Und bringen Sie bitte Ihre Frau mit.«
    »Wir
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