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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder
Autoren: Helene Tursten
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langer Durchgang, der an beiden Enden von abgeschlossenen Türen begrenzt wurde. Neben der Tür zur Straße standen fünf grüne Mülltonnen.
    Schnell durchquerten sie den Raum, öffneten die hintere Tür und traten auf einen kleinen, quadratischen Hinterhof. Er wurde von einem großen Baum mitten auf dem Hof beherrscht, beleuchtet von einer altmodischen Straßenlaterne. Die Wände entlang liefen Blumenrabatte. In jeder Hauswand befand sich eine kleine Tür mit Fenster und jede Tür war mit einer soliden Lampe beleuchtet. Henrik von Knecht steuerte ohne zu zögern die linke Tür an, schloss sie auf und hielt sie für Irene Huss auf. Er streckte seine Hand zu dem selbst leuchtenden Knopf, um die Treppenbeleuchtung einzuschalten.
    »Kein Licht! Sonst sehen die Zeitungsfritzen, dass was im Gange ist«, zischte Irene Huss.
    Sie holte ihre kleine, lichtstarke Taschenlampe aus der Tasche ihrer Popelinejacke. Dem nach unten gerichteten Lichtstrahl folgend gingen sie fünf schmale Treppenstufen hinauf. Durch die schmale Türöffnung traten sie in ein großes Treppenhaus. Im Lichtkegel glänzte der bunte Marmor des Bodens. Rechts von sich sahen sie das Licht eines Fahrstuhlfensters. Irene Huss löschte die Taschenlampe und ging zur Eingangstreppe, die zur Haustür hinunterführte. Als sie auf der Höhe der Fahrstuhltür stand, konnte sie den oberen Teil der schön geschliffenen Glasscheiben der Haustür sehen. Sie trat noch ein paar Schritte vor und konnte die Köpfe des Kommissars und der Techniker erkennen. Vorsichtig schlich sie an eine Seite der breiten Treppe, hielt sich an dem geschnitzten Treppengeländer fest und glitt lautlos die zehn Treppenstufen zur Tür hinunter. Sie tappte über die weiche Fußmatte, riss die Tür hinter ihren Kollegen auf und zischte laut: »Schnell! Beeilt euch, ehe die Zeitungsfritzen kommen!«
    »Uns beeilen! Wie soll man das denn anstellen, wenn man sich vor Schreck in die Hose geschissen hat!«, wollte Svante Malm von der Spurensicherung wissen.
    Kommissar Andersson behauptete später, er wäre nie in seinem Leben einem Herzinfarkt näher gewesen.
    Sie schlüpften durch die Tür hinein, bevor die Zeitungsheinis an der Ecke überhaupt begriffen hatten, was da vor sich ging. Irene Huss drückte auf den Knopf für die Flurbeleuchtung. Der Kommissar zwinkerte wütend mit den Augen und fragte schroff: »Was zum Teufel machst du denn jetzt schon wieder?«
    Aber Irene Huss antwortete ihm nicht, sie betrachtete voller Bewunderung die Wände des Treppenaufgangs. Die Wandgemälde waren wunderschön, spielende Kinder zwischen Buschwindröschen und der Frühling, der in einem Wagen angeflogen kam, welcher von großen exotischen Schmetterlingen gezogen wurde. Alles in frühlingshaften hellen Pastelltönen gehalten. Auf der gegenüberliegenden Wand gab es ein Mittsommernachtsfest in deutlich kräftigeren, bunteren Farben zu sehen. Erwachsene und Kinder tanzten in der Sommerdämmerung, und der Spielmann strich auf seiner Geige, was das Instrument nur hergab. Sein Gesicht war schweißnass, und die Augen funkelten vor Spielfreude.
    »Das Gemälde hat Carl Larsson gemalt, Anfang der Neunzigerjahre im letzten Jahrhundert.«
    Alle Polizisten wandten ihr Gesicht zum Treppenabsatz, von wo die trockene Stimme kam. Henrik von Knecht sah in seiner Verkleidung zweifellos sonderbar aus. Er schaute auf die vier Polizisten herunter und nickte Irene zu, als er weitersprach: »Die Inspektorin Huss war so freundlich und hat mich an den Presseleuten vorbeigelotst. Wollen wir jetzt nach oben?«
    Er zeigte mit einer Hand zur Fahrstuhltür. Die Polizisten trotteten die Stufen hoch und drängten sich in den kleinen Aufzug. »Max. 5 Personen«, informierte ein Messingschild. Irene hoffte heimlich, dass es sich dabei um ausgewachsene Personen handeln durfte. Sie nutzte die Gelegenheit, Henrik von Knecht den anderen drei vorzustellen: Kommissar Andersson und den Leuten von der Spurensicherung, Svante Malm und Per Svensson. Letzterer trug die schwere Beleuchtungsausrüstung und diverse Kameras.
    Ohne Zwischenstopp fuhr der Fahrstuhl in den vierten Stock. Sie stiegen aus und gingen zu der großen, geschnitzten Doppeltür. Ein zierliches schmiedeeisernes Gitter in Form ineinander verschlungener französischer Lilien bedeckte das in die Tür eingelassene Fenster. Die Schnitzereien auf der unteren Türhälfte stellten springende und spielende Hirsche dar. Svante Malm spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfiff beim Anblick der
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