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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod
Autoren: Charlaine Harris
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am Telefon erwähnt hätten.“
    Jetzt wurde auch ich vor Verlegenheit knallrot. In der Aufregung über den Pillenfund hatte ich glatt vergessen, wonach wir eigentlich im Pick-up gesucht hatten.
    Ein wenig verärgert, weil ich Jimmys Geschichte nicht zu Ende hatte hören können, sah ich dem Wagen nach, der sich unsere lange Auffahrt hinunterschlängelte, um die Heimfahrt nach Lawrenceton anzutreten. Ob wohl meine Freundin Sally Genaueres gehört hatte? Sally Allison arbeitete als Reporterin bei der örtlichen Tageszeitung.
    „Ich muss noch mal kurz in die Firma.“ Martin klang wenig begeistert. „Da liegt ein Stapel Briefe, der ohne meine Unterschrift nicht raus kann.“ Er stieg wieder in seinen Wagen, ließ aber, als ich schon fast bei der Küchentür war, noch einmal sein Fenster hinunter. „Denk dran, dass wir heute Abend bei den Lowrys essen.“ Prompt legte der Regen einen Zahn zu.
    „Steht bei mir im Kalender!“, rief ich ihm zu, wobei ich hoffentlich nicht allzu bedrückt wirkte.
    Hätte eine leere Dose vor mir auf dem Weg gelegen, dann hätte ich der bestimmt einen heftigen Tritt versetzt. Mir war sehr danach. Heute schien mir nicht der richtige Abend für ein Essen mit Leuten, mit denen mich (bestenfalls) ein freundschaftliches Verhältnis verband. Richtig enge Freunde und ein Topf Chili, das wäre mir recht gewesen; gute Bekannte, für die man sich schick machen musste, eher weniger.
    Catledge und Ellen Lowry mochten nicht zu meinen Seelenverwandten gehören, aber sie zählten zu den maßgeblichen Bürgern unserer Stadt. Catledge amtierte bereits in der zweiten Amtszeit als Bürgermeister und Ellen war Mitglied oder saß im Vorstand so ungefähr jedes Clubs, bei dem es sich lohnte, Mitglied zu sein oder im Vorstand zu sitzen. Die Stadtregierung bei Laune zu halten – in diesem Fall die Lowrys – war wichtig für Martins Firma und damit für eine Menge Leute in Lawrenceton, die auf ihren Gehaltsscheck von Pan-Am Agra angewiesen waren.
    „So schlimm sind die beiden doch gar nicht“, verkündigte ich lautstark meinem stillen, warmen Haus. Ob es mir glaubte, konnte ich nicht sagen – mich hatte mein unwirscher Ton jedenfalls nicht überzeugen können. So trottete ich mürrisch nach oben, um mir über meine Abendgarderobe Gedanken zu machen. Beim Hochgehen rückte ich eines der Bilder im Treppenaufgang gerade, und langsam schaffte es das Haus, meine Knochen zu wärmen und mich aufzuheitern, wie es das eigentlich immer zuwege bringt. Mein Haus war mindestens fünfundsechzig Jahre alt und wunderschön, mit alten Holzböden und Fenstern, die so groß waren, dass sämtliche Gardinen maßgeschneidert werden mussten. Es schluckte jede Menge Gas und Strom, aber ich liebte es aus ganzem Herzen. Martin und ich hatten es anlässlich unserer Hochzeit renovieren lassen und da wir erst drei Jahre verheiratet und kinderlos waren und man meine Katze kaum als Haustier bezeichnen konnte, standen erst einmal keine weiteren Arbeiten an. Ich bin ein grundsätzlich eher praktisch veranlagter Mensch und solange die im Flur eingebauten Bücherregale noch Platz für Neuerwerbungen boten (ich konnte mir inzwischen gebundene Bücher leisten) schien mir mein Haus perfekt.
    Nachdem ich geduscht und mir die Haare gewaschen hatte, stand wieder einmal die lästige Prozedur des Auskämmens und Trocknens meiner dichten Locken an. Immerhin waren Locken inzwischen in Mode und meine Mitmenschen bewunderten mich für meine Haarpracht, statt mich wie früher mitleidig zu mustern. Eine erfreuliche Entwicklung.
    Ohne große Begeisterung ging ich meinen Kleiderschrank durch. Mutters Mitbringsel aus Florida war ein kirschrotes Wollkleid, sehr hübsch, aber leider für den Anlass heute Abend viel zu festlich. Letztendlich entschied ich mich für eine langärmlige granatfarbene Seidenbluse, einen Rock in Granatrot und Gold und schwarze Pumps. Bei der Durchsicht meiner Brillensammlung – ich bin extrem kurzsichtig – stach mich dann allerdings der Hafer, und ich entschied mich für die Brille mit dem weiß-lila gemusterten Gestell.
    Aber war die nicht doch ein bisschen zu frivol? Mist! Das würden die Lowrys bestimmt übelnehmen. Seufzend suchte ich mir meine neueste Brille heraus, eine schlichte schwarze, mit einer zierlichen Dekoration aus Gold und Perlen, und legte sie mir auf dem Ankleidetisch zurecht. Noch trug ich die Brille, die ich bei der Arbeit am liebsten aufhatte, eine große mit rotem Gestell, die meinem unglücklichen Gesicht
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