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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
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Erfahrung und eine längere Ausbildung. Aber in der Position, die ich innehabe, kann man sich nicht einfach ein, zwei Winterwechsel lang seinen Studien widmen. Ihr wisst, wie trickreich das Verbrechen ist: Wo immer es eine Lücke in den Kontrollen erspäht, da beginnt es zu wuchern. Und nun kommen noch die Feierlichkeiten zum Achthundertjährigen des Imperiums hinzu. Wie soll ich die öffentliche Ordnung garantieren, wenn mir schon die alltäglichen Amtsgeschäfte über den Kopf wachsen? Im Interesse des Reiches und der Krone bitte ich Euch, mit dieser Aufgabe einen Fähigeren als mich zu betrauen!«
    Heidugun schob den leeren Teller beiseite. Er tupfte sich den Mund mit einem Leinentuch ab und starrte dabei vor sich hin. Dann sah er auf, als ob er sich in diesem Moment erst ihrer Anwesenheit erinnere. Er lächelte aufmunternd. »Ihr sorgt Euch und das ehrt Euch. Ich kann Euren Worten gut folgen, seht Ihr, als ich mein heutiges Amt übernahm, war ich fast doppelt so alt wie Ihr, und doch hatte ich das Gefühl, unter der Last schier erdrückt zu werden.« Während er sprach, begann er, einen goldenen Ring an seiner Hand zu drehen. »Die Fülle meiner Aufgaben, nein, die Größe meiner Aufgaben war es, die mich zaudern ließ. Glaubt nicht, dass Ihr mit Euren Gedanken alleine wäret. Ich weiß von vielen, denen es ähnlich ergeht wie Euch, auch wenn Ihr zugegebenermaßen von allen die Jüngste seid. Aber das zählt nicht. Es sind andere dort, die Euch helfen, und woran es Euch vielleicht noch mangelt, das wird Euch an Unterstützung zuteilwerden. Habt Vertrauen!«
    Dadalore schüttelte heftig den Kopf. »Mit etwas Vertrauen ist es nicht getan! Ihr müsst mir glauben, dass ich Euch nicht leichtfertig mit diesem Problem belästige. Ich bin zu der festen Überzeugung gelangt, dass meine Berufung falsch ist. Ein Fehler, der nun korrigiert werden muss.«
    »Götter machen keine Fehler«, blaffte Heidugun sie unvermittelt an.
    Dadalore erstarrte.
    Anschließend legte er wieder ein nachsichtiges Lächeln auf. »Euer Amt ist Euch – wie allen anderen jungen Beamten auch – durch das heilige Los Tyrtallas zugefallen. Der Gott der Sonne spielt nicht mit den Seelen der Sterblichen. Wenn es dem Herrn des Himmels gefällt, Euch für dieses Amt zu empfehlen, so solltet Ihr wissen, dass niemand sonst für diese Aufgabe geeignet ist.« Er blickte sie durchdringend an. »Aber ich spüre Euren Zweifel. Wisset, Ihr nehmt nur wahr, was heute Eure Sorgen sind, Eure schlaflosen Nächte, die Not Eurer Pflichten. Die Himmlischen aber vermögen in alle Zeiten zu blicken und ihr Ratschluss ist weiser, als wir nachvollziehen können. Vielleicht werdet Ihr Fehler machen, vielleicht sogar viele Fehler, aber vielleicht werdet Ihr auch in zwanzig Jahren die beste Capitalmeisterobservatorin, die es je gab, gerade weil Ihr dann aus diesen Fehlern gelernt habt.« Der Oberste Staatsschamane strahlte sie an. »Was immer Ihr tut, Euer Weg ist vorgezeichnet durch Tyrtallas Gesetze und Furujas ewigen Kreislauf. Wie schwierig das Schicksal auch immer sein wird, das Göttliche Paar wird über Euch wachen. Und damit Ihr das nicht vergesst ...« Der Zauberpriester zog ein Holzkästchen hervor und legte es auf den Tisch. Er öffnete es behutsam mit seiner Pranke. Im Innern des Behältnisses lag auf Samt gebettet eine Kette, an der ein goldener Affe hing. »Damit Ihr das nicht vergesst, soll Euch dieses von mir selbst gesegnete Abbild Tyrtallas gehören.«
    Dadalore war sprachlos. Wie allen Regierungssklaven war ihr persönlicher Besitz, der über wenige Gebrauchsgegenstände hinausging, untersagt. Da aber der Oberste Staatsschamane selbst Ihr nun ein so kostbares Präsent machte, musste das wohl irgendwie seine Richtigkeit haben. »Das ist sehr großzügig«, murmelte sie.
    »Und schon ist Tyrtalla wieder ganz bei Euch«, versicherte Heidugun. »Worauf wartet Ihr noch?«
    Die Capitalobservatorin nahm mit zwei Fingern die Kette an sich und legte sie sich um den Hals. Der goldene Affe glitzerte nun von ihrer Brust herab.
    »Ein hübsches Mädchen braucht Schmuck!« Der Priester ließ das Kästchen zuschnappen und steckte es wieder ein. Doch als seine Hände wieder aus den Tiefen seines Gewandes hervorkamen, waren sie nicht leer. Eine Ledermappe, aus der die Pergamente nur so herausquollen, wurde langsam über den Tisch geschoben. »Ich deutete bereits an, dass ich Euch in einer wichtigen Angelegenheit sprechen muss.«
    Dadalore war wie vor den Kopf gestoßen,
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