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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
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begann die Pergamente durchzublättern. Da war zunächst ein Protokoll, das knapp den Fund der drei toten Ruptu im königlichen Fladen beschrieb, verfasst von Bamulaus-Warum-nicht, einem ihrer Capitalprotektoren. Darauf folgte ein Dienstplan der königlichen Wache, der nachwies, dass es eigentlich unmöglich war, unbemerkt so tief in den Palast einzudringen. Des Weiteren war eine größere Anzahl von Steckbriefen beigefügt, eine Sammlung zweifelhafter Bewohner Wekesabads, denen eine so schändliche Tat zuzutrauen wäre. Ein konkreter Verdacht gegen einen von ihnen schien nicht vorzuliegen. Da hätte man ihr ebenso gut das komplette Einwohnerverzeichnis beilegen können.
    Sie blätterte zurück zum Protokoll. Es wurde zunehmend dunkler, so dass ihr nur durch Zufall eine Notiz am Rand auffiel: Erwarte Euch am Tatort – Bamulaus. Sagard sei verflucht, warum hatte sie das vorhin übersehen? Das Dokument war den Gepflogenheiten der Capitalobservation entsprechend tagesgenau datiert, nicht aber stundengenau. Bestimmt wartete der gute Bamulaus bereits viel zu lange. Dadalore musste sich unbedingt auf den Weg zum Palast machen. Aber was sie dort erwartete, wusste sie nur zu gut. Was würden wohl direkte Bedienstete des Königs davon halten, wenn ein Mädchen ihres Alters ihnen Vorschriften machen wollte?
    Dadalore rührte sich nicht vom Fleck, obschon sie doch dringend aufbrechen sollte. Sie hatte Heidugun nicht grundlos sprechen wollen. Man durfte ihr doch nicht alles zumuten, es musste Grenzen geben.
    Ihr Blick fiel auf die Tonkugel zu ihren Füßen. Mit einem Tritt zerbarst die Kugel. Schlagartig trat Rauch aus, in dem ein blaues Licht zu glimmen schien. Das widernatürliche Leuchten stieg auf, waberte an ihren Beinen empor, hüllte ihren Oberkörper ein, nahm ihr schließlich die Sicht, als es ihren Kopf erreichte. Schließlich sog sie den ganzen Zaubernebel mit einem einzigen, tiefen Atemzug ein. Das Leuchten fügte sich und strömte nur so in sie hinein, als habe es nie ein anderes Ziel gehabt.
    Um sie herum wurde es wieder dunkel. In ihrem Innern aber spürte sie eine ungeheure Kraft und Zuversicht auflodern, eine nie gekannte Stärke durchströmte sie. Sie musste sich beherrschen, um nicht wild aufzulachen. Wie hatte sie je daran zweifeln können, dass sie fähig war, ihr Amt auszuführen? Kurz entschlossen trat sie die Tonscherben in den Straßengraben und machte sich auf den Weg zum Palast.
    König Gowofred zählte auf ihre Dienste. König Gowofred würde ihre Dienste bekommen.
     
    »Habt Ihr Euch vergewissert, dass nichts von diesen Ereignissen nach außen gedrungen ist, Bamulaus?« Dadalore-Was-soll-das-Dunkle-nachts blickte den älteren Herrn an ihrer Seite eindringlich an. Er hatte die leicht gebückte Haltung und den unterwürfigen Blick eines Sklaven, dem Jahrzehnte erzwungener Demut in Fleisch und Blut übergegangen waren.
    »Ja«, erwiderte der Angesprochene, aber in einem Tonfall, in dem er ebenso gut nein hätte antworten können. »Die Sache ist bereits fast außer Kontrolle geraten. Es gab zwei Zeugen. Einer davon hat sofort die Saalwachen verständigt, die sich ihrerseits als recht redselig erwiesen.«
    Dadalore verdrehte die Augen. »Wie groß ist das Problem?«
    »Alles in allem sind es jetzt elf Leute. Die Wächter habe ich bereits an ihre Eide erinnert, die Zeugen hierher beordert. Sie haben den Raum danach nicht mehr verlassen.«
    »Gut.« Die Capitalobservatorin nickte Bamulaus knapp zu. »Die beiden zu mir.« Sie beobachtete, wie der Ältere die Palastbediensteten am Rand des riesigen Fladenbrotes abholte: Ein schwarzer Hüne, gefolgt von einer kalkweißen Frau, die eilig trippelnd versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
    »Wer von Euch hat die Leichname gefunden?«
    »Mein Name ist Bimkugard-Was-man-so-braucht, ich bin die Erste Königliche Hofzeremonienmeisterin, meine Liebe. Und ich kann Euch sagen, mir wollte schier der Atem stillstehen, als Tongulaus mir diese Scheußlichkeit zeigte. Ich habe in all den Jahren ...«
    »Ihr habt die Leichname also nicht gefunden.«
    »... meiner verantwortungsvollen Dienste für die Krone ...«
    »Ihr seid Tongulaus?«
    Der Redefluss der Kronsklavin verebbte, als sie merkte, dass man ihr keine Aufmerksamkeit mehr zollte. Der Riese musterte Dadalore geradezu ungebührlich. Es schien ihm zu gefallen, was er sah.
    »Ja, Eure Capitalobservatorin.«
    »Habt Ihr hier irgendetwas verän ...«
    »Nein, Eure Capitalobservatorin.«
    Die Ermittlerin fixierte sein
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