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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition)
Autoren: Markus Tillmanns
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eilten in weiße Baumwolle gehüllte Diener, die mit Tellern und Schüsseln überladen waren, aus denen zarter Flussbarsch und Rindfleisch im Sorghummantel, Yam-Wurzeln und gegrillte Stabheuschrecken dufteten.
    Die Sklavin schob diese Eindrücke beiseite und versuchte, ihre Verabredung in der Menge ausfindig zu machen.
    Da übertönte die schneidende Stimme eines Dieners den Lärm: »Capitalobservatorin Dadalore-Was-soll-das-Dunkle-nachts, ich grüße Euch im Namen Furujas!« Einige Gäste unterbrachen ihre Unterhaltung und warfen neugierige Blicke auf den offiziellen Besuch. Dadalores Miene wurde schlagartig ausdruckslos.
    »Wenn Ihr mir bitte folgen mögt, Eure Capitalobservatorin!« Der Diener machte eine einladende Geste. »Der Erste Staatsschamane Heidugun-Wer-dient-den-Göttern erwartet Euch bereits.«
    Dadalore war sich der Aufmerksamkeit der Anwesenden gewiss, während der Bedienstete sie in den hinteren Bereich der Gaststube führte. In einer nur unzureichend ausgeleuchteten Ecke saß ein dunkelhäutiger Koloss allein an einem Tisch. Heidugun überragte sie um mehr als einen Kopf, seine Körperfülle wölbte sich zu allen Seiten über den Stuhl hinaus. Nur in seinem Rücken wurde den wuchernden Fettmassen durch eine Lehne Einhalt geboten. Der Erste Staatsschamane war nicht im offiziellen Ornat erschienen, sondern in einen schreiend bunten Burnus gekleidet. Vor ihm stand bereits ein Teller, auf dem Brocken von Nahrung unter einer dicken Schicht Sahnesoße bis zur Unkenntlichkeit verschwanden. »Ich habe mir erlaubt, pünktlich zu speisen.« Er sprach mit vollem Mund.
    Dadalore schlug die Augen nieder. »Eure Heilige Luminität!«
    »Eure Capitalobservatorin, nehmt doch bitte Platz. Ich wünschte, Ihr ließet die Förmlichkeiten in Eurer Dienststelle.« Der Schamane schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Er hatte Hirse zwischen den Zähnen. Dadalore setzte sich und bestellte Stelzvogel im Teigmantel. Der oberste Götterdiener schien ganz in sein Essen vertieft. Es war nicht an Dadalore, das Gespräch zu beginnen. Also wartete sie und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Die anderen Gäste hatten offenbar ihre Neugier gestillt und starrten nicht mehr herüber. Dennoch war das Gefühl, beobachtet zu werden, nicht gewichen. Unbehaglich ließ die Beamtin die Augen wandern, doch der Urheber dieses Unwohlseins war nirgends zu entdecken. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Sie musste einfach ...
    »Ihr habt mich um dieses Gespräch gebeten, Dadalore. Und ich sage Euch, Tyrtalla selbst muss den rechten Augenblick dafür bestimmt haben, denn gerade heute habe ich Euch ebenfalls in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen.« Heidugun strahlte sie an, als stecke wahrhaftig in der Gleichzeitigkeit ihrer Anliegen eine göttliche Offenbarung.
    Dadalore lächelte höflichkeitshalber zurück. Hoffentlich forderte er sie bald zum Sprechen auf, das Schweigen machte sie ganz krank.
    Der Oberste Schamane spülte einen Bissen mit einem Zug Wein hinunter. »Die verstehen etwas davon, nicht wahr? Ich meine das Essen, der Wein ist nur ein gewöhnlicher Gacoki. Nun, zumindest ist der Jahrgang gut.« Er sah sie an, als erwarte er Zustimmung. Da sie darauf nichts zu sagen wusste, nickte sie nur. »Aber ich vergesse meine Höflichkeit, Ihr müsst verzeihen, aber alte Männer neigen beim Trunke zur Redseligkeit. Vielleicht möchtet Ihr Euer Anliegen erläutern, bevor Euer Essen eintrifft?«
    Dadalore holte tief Luft und fixierte einen Punkt auf dem Sklavenring des Obersten Staatsschamanen. »Nun, ich ... es geht darum, dass ich Euch bitten möchte, mich von meinem Amt zu entbinden.« Sie hielt inne in Erwartung einer heftigen Reaktion. Aber auf dem Gesicht ihres Gegenübers zeichnete sich eher Kummer ab. Das mochte aber auch daran liegen, dass der Teller vor ihm zusehends leerer wurde.
    »Ich ... Ich habe in dem vergangenen halben Winterwechsel mein Bestes gegeben. Ich bitte Euch, mir zu glauben, dass ich mit jedem Winkel meiner Seele in der Arbeit aufging. Wenn ich morgens erwache, gilt mein erster Gedanke den Zollobliegenheiten, wenn ich mich zur Mittagsruhe zurückziehe, schreibe ich im Geiste schon die nächsten Protokolle, und wenn ich die Amtsstube verlasse, folgt nur noch die Nachtruhe für mich. Glaubt also nicht, dass mich Trägheit oder Feigheit zu Euch führten. Ich muss bei allem Bemühen nur feststellen, dass ich meine Sache jämmerlich mache. Es ist eine exuverfluchte Angelegenheit, ich bräuchte mehr
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