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Der Nacht ergeben

Der Nacht ergeben

Titel: Der Nacht ergeben
Autoren: Rachel Caine
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sagte Claire. »Wegen der Medizin mussten Sie es nicht. Aber... Michael?«
    Myrnin folgte ihrem Blick hinüber zu Eve und Michael, die sich über den reglosen Körper von Bürgermeister Morrell gebeugt hatten. »Amelie hat ihn gehen lassen«, sagte er. »Vorläufig zumindest. Sie könnte ihn jederzeit zurückbeordern, aber ich glaube, sie wusste, dass ihr Hilfe braucht.« Er ließ die Arme sinken und ging hinüber zu Michael, um ihn an der Schulter zu berühren. »Es hat keinen Zweck«, sagte er. »Ich kann den Tod an ihm riechen. Und du kannst es auch, wenn du es versuchst. Ihr könnt ihn nicht zurückholen.«
    »Nein!«, schrie Mrs Morrell und warf sich auf den Leichnam ihres Mannes. »Nein, ihr müsst es versuchen!«
    »Sie haben es versucht«, sagte Myrnin und trat zurück, um sich an die Wand zu lehnen. »Und das ist mehr, als ich getan hätte.« Er nickte zu Richard hinüber. »Er könnte überleben, aber um dieses Metall zu entfernen, braucht es einen Medikus.«
    »Sie meinen einen Arzt?«, fragte Claire.
    »Ja, natürlich einen Arzt«, blaffte Myrnin sie an und seine Augen loderten rot auf. »Ich weiß, du möchtest, dass ich Mitgefühl für sie empfinde, aber so bin ich nicht. Ich sorge mich nur um die, die ich kenne, und selbst dann geht das nicht besonders tief. Fremde bekommen nichts von mir.« Er machte Fehler beim Reden und die Wut kam zurück. Als Nächstes würde Verwirrung folgen. Claire kramte schweigend in ihren Taschen. Sie hatte eine einzelne Glasphiole hineingesteckt und wie durch ein Wunder war sie nicht zerbrochen.
    Er schlug sie ihr ungeduldig aus der Hand. »Ich brauche das nicht!«
    Claire beobachtete, wie es klappernd zu Boden fiel, und das Herz rutschte ihr in die Hose; sie sagte: »Doch, Sie brauchen es.
    Das weiß ich. Bitte, Myrnin. Ich kann diesen Mist im Moment nicht brauchen. Nehmen Sie einfach Ihre Medizin .«
    Sie glaubte nicht, dass er es tun würde, zumindest nicht sofort, aber dann schnaubte er, bückte sich und hob die Phiole auf. Er öffnete sie und kippte sich die Flüssigkeit in den Mund. »Bitte schön«, sagte er. »Zufrieden?« Er zerbrach das Glas zwischen seinen Fingern und das rote Glühen in seinen Augen wurde intensiver. »Bist du jetzt zufrieden, kleine Claire? Gefällt es dir, mir Befehle zu erteilen?«
    »Myrnin.«
    Seine Hand legte sich um ihre Kehle und erstickte, was immer sie hatte sagen wollen.
    Sie rührte sich nicht.
    Seine Hand drückte nicht zu.
    Das rote Glühen schwand allmählich und wurde durch einen beschämten Blick ersetzt. Er ließ sie los und trat mit gesenktem kopf einen Schritt zurück.
    »Ich weiß nicht, wo ich einen Arzt finden kann«, sagte Claire, als wäre nichts passiert. »Im Krankenhaus vielleicht oder...«
    »Nein«, murmelte Myrnin. »Ich werde Hilfe holen. Lass niemanden meine Sachen durchwühlen. Und beobachte Michael - für alle Fälle.«
    Sie nickte. Myrnin öffnete den Portaldurchgang in der Wand und trat hindurch, auf dem Weg... wohin? Sie hatte keine Ahnung. Claire dachte, Amelie hätte alle Knotenpunkte geschlossen. Aber wenn das stimmte, wie waren sie dann hierher gelangt?
    Myrnin konnte sie nach Belieben öffnen und schließen. Aber er war vermutlich der Einzige, der das konnte.
    Michael und Eve entfernten sich von Bürgermeister Morrells Leichnam, als seine Frau sich neben ihn stellte und weinte.
    »Was können wir tun?«, fragte Shane. Er klang unglücklich. In all dem Durcheinander hatte er ihre Konfrontation mit Myrnin verpasst. Sie war deswegen beinahe erleichtert.
    »Nichts«, sagte Michael. »Nichts als abwarten.«
    ***
    Als sich das Portal wieder öffnete, trat Myrnin hindurch und half dann noch jemand anderem über die Schwelle.
    Es war Theo Goldman, der ein antiquiertes Arztköfferchen trug. Er schaute sich im Labor um, nickte Claire ausdrücklich zu und ging dann zu der Stelle, an der Richard auf dem Teppich lag, den Kopf in den Schoß seiner Mutter gebettet. »Treten Sie bitte zurück«, sagte er zu ihr und kniete sich auf den Boden, um seine Tasche zu öffnen. »Myrnin, bring sie in ein anderes Zimmer. Eine Mutter sollte das nicht sehen.«
    Er ordnete Instrumente an, die er aus einem sauberen, weißen Tuch wickelte. Claire beobachtete, wie Myrnin Mrs Morrell wegführte und in den Sessel in der Ecke setzte, in dem er normalerweise saß, um zu lesen. Sie schien benommen zu sein, wahrscheinlich der Schock. Der Sessel war noch heil. Damit war er wohl das Einzige, was im Labor noch intakt war - die
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