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Der mysterioese Zylinder

Der mysterioese Zylinder

Titel: Der mysterioese Zylinder
Autoren: Ellery Queen
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durch Verletzung einer ungeschriebenen, scheinbar stillschweigend gültigen Voraussetzung ihren Ruhm begründet (»The Murder of Roger Ackroyd«, 1926) und gefestigt (»Murder on the Orient Express«, 1934).
    Der erste, der die für dieses Spiel dem schreibenden und dem lesenden Kenner des Genres gültigen Regeln, wie sie sich bei Generationen von Schriftstellern und Liebhabern allmählich herangebildet hatten, mit dem gebotenen Unernst kodifizierte, war Willard Huntington Wright alias S. S. van Dine. Im selben Jahr 1928, da seine »Zwanzig Regeln für das Schreiben von Detektivromanen« erscheinen, setzen die Vettern Lee und Dannay sie bei der Abfassung des »Mysteriösen Zylinders« im Grunde als gegeben voraus und wenden sich in einem »Zwischenspiel« mit einer direkten Herausforderung an den Lesen, ihren Partner im Spiel: Sie bezeichnen durch ein unübersehbares Signal die Stelle, an der bei absolut gleichem Informationsstand Ellery Queen die Lösung findet und der Leser sie somit auch formulieren könnte, und sie qualifizieren diesen Leser als »aufmerksamen Kenner von Detektivgeschichten«. Der schreibende Connaisseur kommuniziert direkt mit seinem lesenden Confrater, der Poeta doctus wendet sich an den ihm verwandten Lector doctus, der Maitre de cuisine an den Gourmet, der allein seine Kochkunst, seine Techniken und die verwendeten speziellen Gewürze aufgrund seiner Kenntnis von tausend verwandten Gerichten herausschmecken wird. Dannay und Lee machen damit das wichtigste Gesetz des ›Golden Age‹ und seiner Anhänger bis zum heutigen Tag bewußt und sprechen es explizit an: das Gebot des Fair play hinsichtlich der Informationsvergabe an den Leser, wie es sich bei ihren Zeitgenossen implizit herausgebildet hatte. Mit dieser ›Herausforderung an den Leser‹, die sie in den bis 1935 folgenden neun Romanen unverändert beibehalten, geben sie den entscheidenden Anstoß für den ›Krimi zum Mitraten‹ mit allen Folgen bis heute: Dennis Wheatleys »Mörder von Miami« (als »DuMont’s Criminal-Rätsel« 1985 erschienen) und alle auf ihn folgenden Dokumenten-oder Ratekrimis {z.B. Lawrence Treat »Detektive auf dem Glatteis!«) stehen ebenso in ihrer Schuld wie die entsprechenden Hör-oder Fernsehspiele, die Rätsel und Lösung durch eine Pause trennen. Dannay und Lee schrieben selbst von 1939 bis 1948 eine Hörspielserie »Ellery Queens Abenteuer« mit einem Stück pro Woche. Dieser sensationelle Erfolg im (kommerziellen!) amerikanischen Rundfunk erklärt sich zum einen aus der Beliebtheit ihres Detektivs, zum andern aus der ihres Markenzeichens, der Pause zum Mitraten, mit der sie das Publikum 1929 in »Der mysteriöse Zylinder« bekanntmachten.
    Ellery Queen wurde in den dreißiger und vierziger Jahren schnell zum bekanntesten Detektiv Amerikas, und das weniger wegen der Neuheit als wegen der Vertrautheit seines Charakters: Ellery erinnerte von Anfang an in vielen Zügen an den ersten großen Detektiv der Neuen Welt, den zur Entstehungszeit von »Der mysteriöse Zylinder« schon legendären Philo Vance in den erfolgreichen Romanen S. S. van Dines. Dieser wiederum ist auch von seinen glühendsten Bewunderern als nach New York verpflanzter Lord Peter Wimsey empfunden worden – der Detektivroman ist eine Variationsgattung und zeigt seinen Rang in der Wiederaufnahme und Abwandlung vorgegebener Muster. So war es auch als uneingeschränktes Lob gedacht, als Ellery von der Kritik schon bald als der legitime Erbe Sherlock Holmes’ bezeichnet wurde, der sich kurz zuvor in die Dünen von Sussex zum Bienenzüchten zurückgezogen hatte. Dannay und Lee nahmen dies Lob gern auf und nannten die Kurzgeschichten von ihrem und um ihren Helden bewußt nach den berühmten Fallsammlungen Watsons »The Adventures of Ellery Queen« oder »The Case Book of Ellery Queen« und gaben ihm analog zu Holmes’ Hilfstruppen aus Straßenjungen, den »Baker Street Irregulars«, »87th Street Irregulars« zur Seite. Auch das private Museum in Queens ehemaliger Wohnung in der 87th Street ist eine direkte Hommage an 221b Baker Street, bis hin zu den dort ruhenden Dokumenten zu den bisher noch unveröffentlichten Fällen.
    In seiner Grundstruktur aber ist Ellery ein etwas mehr auf sympathisches Menschenmaß reduzierter Philo Vance: Wenn Vance in Oxford studiert hat, tat Ellery das in Cambridge, Mass.; wo Vance über wahre Reichtümer verfügt, die einen eigenen Vermögensverwalter erfordern, ist Queen durch die Erbschaft eines Onkels von
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