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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher
Autoren: Hartmut Fladt
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looking for the Magic – I’m making myself.« Das Magische ist Teil der Selbstbestimmung.
    Das ist eine gut gemachte, reich arrangierte Musik mit poetischem und sogar philosophischem Tiefgang – was aber das Hörvergnügen nicht trübt, sondern, im Gegenteil, reicher macht.

8. UNFRIEDLICHE KOEXISTENZ?
KONKURRENZ UND KOOPERATION
Deep Purple SMOKE ON THE WATER (1972)
    – http://www.youtube.com/watch?v=2WX_4FNoto4
    Ein Klassiker von der Gruppe mit der wohl höchsten Mitglieder-Fluktuation in der Rockgeschichte. Das Wechselbad zwischen »klassischer« Ausbildung und Hardrock spiegelt sich u. a. in Crossover-Projekten. Auch bei der YouTube-Aufnahme ist ein Orchester beteiligt.
    Die Intro (0’00’’– 0’42’’) enthält eines der berühmtesten Gitarrenriffs der Rockgeschichte: Viertaktiges Pattern, Tempo moderato mit charakteristischem Wechsel Onbeat (erster und dritter Takt) und Offbeat (zum und im zweiten und vierten Takt).
    Das Riff beruht auf der Blues-Skala von g-Moll: g-b-c 1 /g-b-des 1 -c 1 /g-b-c 1 /b-g. Es hat gleichzeitig archaisierende Quartparallelen (in der Musikgeschichte als »Quart-Organum« seit etwa 800 gebräuchlich), in der Rock- und Poptheorie gern als »Power-Chords« bezeichnet. Das heißt: Unter jedem Ton erklingt gleichzeitig die Unterquart (vgl. die Nirvana-Analyse, auf S. 237). Das ist ein wunderbares Empfangs-Komitee für den Gesang.
    Auch der Gesang in Strophe  eins (0’50’’– 1’23’’) hat Töne der Blues-Skala, setzt jeweils oben an und bewegt sich im Oktav-Rahmen abwärts (Strukturtöne: g 1 -f 1 -d 1 -des 1 -c 1 -b-g).
    Erzählt wird die Geschichte eines realen Erlebnisses der Gruppe am Genfer See in Montreux: ein Großbrand während eines Konzerts von Frank Zappa mit den »Mothers of Invention«, mit entsprechendem SMOKE ON THE WATER und dramatischer Rettungsaktion für die Zuhörer.
    In Chorus/Hookline (1’23’’– 1’45’’) kommen die »Klassiker«der Gruppe und bringen eine Harmoniewendung, die bei Franz Schubert stehen könnte: die »Großterzverwandtschaft« C-Dur (»smoke on the«) – As-Dur (»water«), dann wieder zurück zur Blues-Skala auf G.
    Die zweite Strophe und der zweite Chorus bringen nichts Neues; aber dann, heiß ersehnt: die Bridge mit ihren Soli! (2’50’’– 3’38’’)
    Strophe drei und Chorus drei: immer noch nichts Neues, bis auf Chor- und Publikums-Beteiligung im Chorus. In der Coda (ab 4’45’’) aber feiert das Riff Triumphe.
    Zu hören sind viele schöne Details, ein Bilderbuch-Riff. Der Song hat aber leider eine relativ mechanische Gesamtform und einen ziemlich nüchternen Text. Zum Trost gibt es die gekonnte Bridge mit den Soli: ein Wechselbad der Gefühle.
Scooter HYPER HYPER (1994)
    – http://www.youtube.com/watch?v=arLHb6JHi7Q
    Eine der (zum Entsetzen von Fachleuten) erfolgreichsten deutschen Bands; H. P. Baxxter (= Hans Peter Geerdes) ist MC, DJ und Rapper; seine Musik, so die Selbstauskunft, von Kirmes und Rummel geprägt. Baxxter ist permanent auf der Suche nach der »besonderen Parole«, mit der Provokation der Bewusstlosigkeit (»Hände hoch und abfeiern!«). Wie funktioniert das?
    Szene eins (0’00’’– 0’34’’) zwischen MC (der Master of Ceremonies als Kasperle im Kaspertheater) und reagierender Menge (das ist in weiten Teilen von ANNIHILATION RHYTHM der schottischen Band UltraSonic übernommen); der Drumcomputer klopft tadellose Sechzehntelnoten, der Schlagzeuger mischt ein zischelndes HiHat-Becken ein. Rasches, treibendes Tempo (ca. 160 bpm). Wo bleibt die Parole?
    Die Parole (0’32’’– 1’17’’) ist der Titel, HYPER HYPER, ÜberÜber, ebenso nichtssagend wie vielsagend, bekloppt und genial. »Aber wo ist die bass drum?«, fragt Kasperle weiter.
    Die Bassdrum ist das Krokodil des SCOOTER-Kasperletheaters!
    Ihr Einsatz wird liebevoll inszeniert: erst durch sie wird Rave zu Rave.
    Jetzt kommt eine für mich sehr unangenehme Episode:
    In Szene 3 (1’45’’– 2’09’’) brüllt vorn jemand, alle reißen auf Kommando die Arme hoch, netterweise nicht nur die rechten. Aber die Assoziation von Massenmanipulation ist deutlich. Immerhin, endlich hören wir auch Töne: ein viertaktiges Pattern in gis-Moll-Äolisch; über dem in Vierteln pulsierenden Grundton Gis schieben sich Intervalle stufenweise aufwärts:
    //: gis 2 -dis 2 (4x) ://: gis 2 -e 2 (4x) ://: ais 2 -fis 2 (4x) ://: h 2 -gis 2 (4x) ://
    Wie entsteht die Musik von Scooter? Zur fertigen Musik, so Baxxter, wird der Text
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