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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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ich einen Ägypter verfolgt hätte, hätte man mich wahrscheinlich auf der Stelle gelyncht. Ich mußte Ataxas erwischen und verschwinden, bevor sie sich dazu entschlossen hatten.
    Kurz bevor die Straße auf den riesigen Platz um das Große Serapeion mündete, holte ich ihn ein. Ich war versucht, ihn mit meinem Schwert aufzuspießen, aber etwas so Aufsehenerregendes und Empörendes hätte zweifelsohne mit meinem Tod geendet, wahrscheinlich auf dem Altar irgendeines widerwärtigen Gottes mit dem Kopf eines Warzenschweins.
    Statt dessen packte ich seine Schulter und riß ihn herum.
    Er hatte ein knallrotes Gesicht, keuchte und zitterte vor Erschöpfung, als ich ihn in eine Sackgasse zwischen zwei Gebäude stieß. Ein paar Katzen ließen gerade lange genug von ihrer Balgerei um die Überreste eines Fisches ab, um uns anzufauchen. Triumphierend entriß ich ihm die Schriftrolle. Er packte halbherzig nach seiner kurzen Axt, aber ich trat ihm in den Unterleib, und er ließ es bleiben.
    »Verwechsel mich nicht mit einem hilflosen Mathematiker, Ataxas«, sagte ich zu ihm, während er sich auf dem Pflaster wand. »Es braucht mehr als einen entlaufenen Sklaven, um einen Caecilius Metellus zu töten.«
    »Wieviel willst du, Römer?« keuchte er. »Ich werde dich reicher machen, als du dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst. Hier gibt es ein ganzes Land zum Ausplündern.«
    »Ich möchte bloß mit ansehen, was Ptolemaios mit dir macht.
    Oder vielleicht auch deine Anhänger, wenn sie sehen, daß Ataxas ein entlaufener griechischer Sklave mit Perücke und falschem Bart ist. Die Soldaten des Königs werden mit Vorschlaghämmern in deinen Tempel kommen und dein trickreiches Standbild zertrümmern und Wände und Boden aufreißen und die Röhren finden, die du benutzt hast, um BaalAhrimans Stimme vorzutäuschen. Wahrscheinlich wirst du aus Rache von Priesterinnen mit Striemen auf dem Rücken in Stücke gerissen und verschlungen werden.« »Du setzt großes Vertrauen auf Ptolemaios, Römer«, sagte Ataxas. »Seine Zeit ist vorüber, genau wie die der römischen Vorherrschaft in Ägypten.« Er hatte sich bis auf die Knie hochgekämpft.
    »Nicht, wenn ich damit in den Palast zurückkehre«, sagte ich, das Dokument vor seiner Nase wedelnd.
    »Das könnte sich als schwieriger herausstellen, als du denkst, Römer«, sagte er gar nicht so unwahrheitsgemäß. Ich befand mich in Rhakotis, und es war ein ungünstiger Zeitpunkt, um in diesem Teil der Stadt ein Römer zu sein.
    »Leb wohl, Ataxas«, sagte ich. »Ich werde zu deiner Hinrichtung kommen, wenn du lange genug lebst, um verurteilt zu werden.« Ich drehte mich um und ging bis zur Mündung der Sackgasse. Bevor ich hinaustrat, blieb ich stehen und ließ meinen Blick über die Straße wandern. Es wurde langsam belebt, aber niemand schenkte mir Beachtung. Plötzlich hörte ich hinter mir ein grausames Kreischen. Ich konnte nur annehmen, daß Ataxas ein unverständliches Wutgeheul ausstieß.
    Dann traf mich etwas direkt zwischen den Schulterblättern und purzelte auf die Straße. Ich drehte mich verwirrt um. Etwas Graues und Felliges lag bewegungslos vor meinen Füßen. Das Ganze geschah so unerwartet, daß ich das Ding zunächst nicht erkannte. Dann stürmte Ataxas an mir vorbei auf die Straße und zeigte, die Augen entsetzt aufgerissen, mit dem Finger auf mich.
    »Der Römer hat eine Katze getötet!« rief er, und wiederholte dann mit einem hysterischen Kreischen: »DER RÖMER HAT EINE KATZE GETÖTET!«
    Die Menschen auf der Straße starrten mich mit offenem Mund an. Erst mich, dann das arme Tier, als könnten sie das frevelhafte Grauen, das sie sahen, nicht begreifen.
    »Er hat eine Katze getötet!« begannen sie sowohl auf griechisch als auch auf ägyptisch zu murmeln. »Der Römer hat eine Katze getötet!« Es dauerte nicht lange, bis sie sich von ihrem Schock erholt hatten, während ich verstohlen von dem toten Tier zurückwich. Dann: »TÖTET DEN RÖMER! TÖTET DEN KATZENMÖRDER!«
    Ich machte mich schleunigst auf den Weg. Diesmal wurde ich durch das schwere Buch behindert, und es war an diesem Morgen bereits mein zweites Rennen auf Leben und Tod. Ich dachte an jenen Griechen mit dem unendlichen Namen, der von Marathon nach Sparta und zurück nach Marathon und dann den ganzen Weg bis nach Athen gelaufen war, wo er tot zusammen brach, was ihm recht geschah. Er hatte schließlich keinen wütenden alexandrinischen Mob auf den Fersen.
    Jedesmal wenn ich über die Schulter
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