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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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Bett ein wenig ungelenk, zurück. Ich wirbelte den Stuhl nach unten, erwischte sein Schwert, riß es zur Seite und machte einen Schritt nach vorn, um einen sauberen Stoß in seine Brust zu führen. Kein Thraker in einem Amphitheater hat je so elegant attackiert.
    Doch Memnon war ein beachtlicher Schwertkämpfer. Er riß mit dem linken Unterarm seinen Umhang hoch und schlug mein Schwert an seiner linken Schulter vorbei, während er selbst in die Lücke vorstieß und mit seiner Klinge meinen Bauch anvisierte. Ich konnte sie im letzten Augenblick mit dem Stuhl abwehren, und mir gelang ein unerwarteter Fang. Die Spitze seines Schwertes bohrte sich durch eines der Beine, spaltete es und blieb dort stecken. Ich riß den Stuhl mit seinem Schwert zur Seite und machte einen Schritt nach vorn, um ihm meine Klinge in den Magen zu bohren. Ich erwischte einen Punkt direkt unterhalb des Brustbeins und schlitzte bis zum Herz hoch. Um die Sache gründlich zu erledigen, drehte ich die Klinge noch einmal in der Wunde, bevor ich sie herauszog, gefolgt von einem Schwall von Blut.
    Memnon brach auf dem Tisch zusammen und riß die Lampen mit sich. Das tauchte den Raum jedoch nicht in völlige Dunkelheit, weil die Sonne inzwischen aufgegangen war und durch das kleine Fenster Licht fiel. Zum ersten Mal, seit Memnon auf mich losgegangen war, hatte ich Gelegenheit zu beachten, was die beiden anderen taten. Orodes war verschwunden. Ich hatte ihn nicht die Treppe hinablaufen hören, aber ich war auch ziemlich beschäftigt gewesen. Ein Kampf auf Leben und Tod engt die eigene Wahrnehmung beträchtlich ein.
    Ich steckte meinen Kopf aus dem Fenster und sah Orodes, den verwundeten Arm an den Körper gepreßt, in Richtung Palast eilen. Direkt unter mir stürzte Ataxas aus der Haustür und rannte die Straße hinunter nach Rhakotis. Unter dem Arm trug er einen unförmigen Gegenstand. Ich sah mich nach dem zusammengebrochenen Tisch um. Das Buch war weg.
    Ich mußte die Verfolgung aufnehmen, doch vorher hatte ich ein dringendes Geschäft zu erledigen. Ich war versucht, auf Memnon zu pissen, aber es ist nicht ratsam, die Körper der Toten zu mißbrauchen. Ich war zwar nie abergläubisch, aber Vorsicht hat sich noch immer ausgezahlt. Man bedenke nur, was mit Achilles geschah, nachdem er Hektor hinter seinem Streitwagen hergeschleift hatte. Eine Vase erfüllte ihren Zweck genausogut, und ich steckte mein Schwert in die Scheide, ohne mich damit aufzuhalten, es vorher zu säubern. Darum konnte sich Hermes später kümmern.
    Ich schaffte es gerade rechtzeitig aus der Haustür, um Ataxas' dürre Gestalt um eine Ecke des Theaters verschwinden zu sehen.
    Ich rannte ihm nach, sehr zur Verwunderung der Bürger, die langsam begannen die Straßen zu bevölkern. Es war ein interessantes Rennen. Jeder von uns hatte Vor- und Nachteile. Und es ging um sehr viel. Ataxas wurde durch das schwere Buch behindert, hatte jedoch einen gewaltigen Vorsprung. Er war ein Exsklave, der in seinem Leben wahrscheinlich nicht eine Stunde in der Palaestra verbracht hatte, geschweige denn im Stadion, während ich die gewöhnliche militärische Grundausbildung genossen hatte, allerdings außer Form war. Wenn er es bis zu seinem Tempel schaffte, war er sicher. Ich war ein Römer in einer Stadt, in der Römer zusehends unbeliebter wurden und in Kürze das Opfer von Feindseligkeiten werden sollten.
    Endlich einmal gereichten die Straßen Alexandrias mir zum Vorteil. Die breiten Boulevards und die langen geraden Häuserblocks machten es ihm praktisch unmöglich, meinem Blick mehr als zwei Sekunden zu entschwinden. Ich holte auf, ungeduldig, ihn zu erwischen, doch klug genug, mich nicht in einem Spurt zu verausgaben, der mich würgend auf dem Bürgersteig zusammen brechen lassen würde, bevor wir Rhakotis erreicht hatten.
    Wir liefen an Marktständen, rumpelnden Gemüsewagen, wiehernden Eseln und stöhnenden und stinkenden Kamelen vorbei, sogar ein paar Elefanten kreuzten unseren Weg. Hühner stoben vor uns auseinander, und Katzen beäugten uns mißtrauisch. Die Leute betrachteten uns mit Interesse und gingen dann wieder ihren Tätigkeiten nach. Alexandria ist eine Stadt voller Spektakel, und wir boten fürwahr einen traurigen Anblick.
    Ich bemerkte, daß die Hautfarbe der Passanten dunkler wurde.
    Weiße Gewänder und schwarze Perücken begannen die Szenerie zu beherrschen. Wir waren in Rhakotis. Erst jetzt wurden mir meine römische Frisur und meine latinischen Züge schlagartig bewußt. Wenn
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