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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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doch ziemlich hoch«, räumte Hermes ein.
    »Angeblich über hundert Meter«, bestätigte ich. Die alten Diadochen, die nach Alexander kamen, bauten in einer Größenordnung, die es mit den Pharaonen aufnehmen konnte.
    Deren gigantische Grabstätten, Tempel und Denkmäler waren zu nichts im besonderen nutze, aber sie waren beeindruckend, was auch ihr Hauptanliegen war. Wir Römer konnten das gut verstehen. Es ist wichtig, Menschen zu beeindrucken. Wir zogen natürlich nützlichere Dinge wie Straßen, Aquädukte und Brücken vor. Zumindest der Pharos war ein wahrhaft nützliches Bauwerk, wenn auch ein wenig zu groß geraten.
    Als wir zwischen dem Pharos und Kap Lochias hindurch fuhren, bot sich uns ein erster, in der Tat atemberaubender Anblick der Stadt dar. Alexandria lag auf einer Landenge zwischen Mareotis-See und dem Meer, direkt westlich des Nildeltas. Alexander hatte diesen Platz ausgesucht, damit seine neue Hauptstadt Teil der hellenistischen Welt blieb und nicht im priesterverrückten Ägypten lag; ein weiser Entschluß. Die ganze Stadt war aus weißem Stein erbaut worden, was einen verblüffenden Effekt zeitigte. Es sah nicht aus wie eine reale Stadt, sondern eher wie das Idealmodell einer solchen. Rom ist keine schöne Stadt, obwohl es über ein paar prachtvolle Bauwerke verfügt. Alexandria hingegen war von unvergleichlicher Schönheit. Hier lebten mehr Menschen als in Rom, trotzdem machte die Stadt keinen überbevölkerten oder ausufernden Eindruck. Alexandria war von Anfang an als große Stadt geplant worden. Auf dem flachen Stückchen Land waren alle größeren Gebäude vom Hafen aus klar zu erkennen, vom riesigen Tempel des Serapis in den westlichen Vierteln bis zu jenem seltsamen, künstlichen Hügel und dem Tempel des Paneion im Osten.
    Der größte Gebäudekomplex war der Palast, der sich an der sichelartig geschwungenen Küstenlinie des Kap Lochias erstreckte. Es gab sogar eine Palastinsel und einen eigenen Hafen, der dem Palast vorgegliedert war. Die Ptolemäer hatten es gern stilvoll.
    Ich stieg zum Deck hinab und schickte Hermes los, um meine beste Toga zu holen. Die Marinesoldaten an Deck polierten ihre Rüstung, aber da es sich bei unserer Mission um eine diplomatische handelte, würden Creticus und ich keine Militäruniformen tragen.
    In unserer besten Kleidung gewandet und von unserer Ehrengarde flaniert, steuerten wir das Dock unweit des Mondtores an.
    Über dem Tor thronte die Gestalt der schönen, aber extrem in die Länge gezogenen Göttin Nut, der ägyptischen Göttin des Himmels. Ihre Füße standen auf einer Seite des Tores, und ihr langgestreckter Körper wölbte sich in hohem Bogen, so daß sie sich mit ihren Fingerspitzen auf der anderen Seite abstützte. Ihr Körper war tiefblau und mit Sternen übersät, und in dem Bogen hing ein riesiger, nach Art der Sonnenscheibe gestalteter Alarmgong. Diese Spuren ägyptischer Religion sollten mir überall in Alexandria begegnen, das ansonsten eine durch und durch griechische Stadt war.
    Wir preschten auf den steinernen Pier zu, als hätten wir vor, ihn zu rammen und zu versenken. Im allerletzten Moment bellte der Navigator ein Kommando, die Ruder tauchten ins Wasser und blieben dort, wodurch sie eine breite Gischtspur aufwirbelten. Das Schiff verlor schlagartig an Fahrt und legte sanft an der Ufermauer an.
    »Man hätte eine Rose an die Ramme binden können, und sie hätte kein Blütenblatt verloren«, stellte der Navigator etwas übertrieben, wenn auch mit einer gewissen Berechtigung, fest.
    Die Ruder wurden eingeholt, Leinen an Land geworfen, die Triere wurde an den Pier gezogen und vertäut. Mit Hilfe eines Kranes wurde die große Landebrücke auf das Pflaster herab gelassen, und die Marinesoldaten nahmen mit in der Sonne blitzenden Bronzebrustpanzern am Geländer Aufstellung.
    Aus der Stadt war eine Delegation eingetroffen, um uns zu begrüßen, eine gemischte Gruppe aus Höflingen in ägyptischen Gewändern und den bei der Botschaft tätigen Römern in Togen.
    Die Ägypter hatten es nicht versäumt, für Unterhaltung zu sorgen. Sie hatten Akrobaten und trainierte Esel aufgeboten sowie etliche nackte Mädchen, die schlüpfrige Verrenkungen vollführten. Die Römer wirkten im ganzen würdiger, auch wenn einige von ihnen schwankten und zu dieser frühen Stunde offenbar bereits betrunken waren.
    »Ich glaube, hier wird es mir gefallen«, sagte ich, als wir die Brücke hinabschritten.
    »Typisch«, sagte Creticus. In jenen Tagen hatte meine
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