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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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Familie keine besonders hohe Meinung von mir. Trommeln dröhnten, Pfeifen schrillten und Sistra klapperten, während Knaben Weihrauchfäßchen schwenkten und uns in Wolken wohlriechenden Qualms hüllten. Creticus ließ all das mit angemessenem Stoizismus über sich ergehen, während ich total begeistert war.
    »Willkommen in Alexandria, edler Senator Metellus!« rief ein großer Mann in einem blauen Gewand mit zahlreichen Goldborden. Er meinte Creticus, nicht mich. »Willkommen, Quintus Caecilius Metellus, Eroberer Kretas!« Es war zwar kein besonders spektakulärer Krieg gewesen, aber der Senat hatte ihm den Titel verliehen und einen Triumph genehmigt. »Ich, Polynexus, Dritter Eunuch am Hofe Königs Philopator Neos Dionysos, dem zwölften Ptolemäer, heiße dich in Alexandria willkommen und gewähre dir uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in unserer Stadt und unserem Palast, in Anerkennung der tiefen Liebe und Ehrerbietung, die schon so lange zwischen Rom und Ägypten herrschen.« Polynexus trug, wie die anderen ägyptischen Offiziellen auch, eine schwarze, quadratisch geschnittene ägyptische Perücke, dick aufgetragenen Lidschatten und Rouge auf Wangen und Lippen.
    »Was ist ein Dritter Eunuch?« fragte mich Hermes leise.
    »Haben die Eunuchen Eins und Zwei jeweils einen Hoden oder was?« Das hatte ich mich, ehrlich gesagt, auch schon gefragt.
    »Im Namen des Senates und des Volkes von Rom«, sagte Creticus, »bin ich ermächtigt und in der ehrenvollen Position, euch die große Wertschätzung auszudrücken, die wir stets für König Ptolemaios, die Adeligen und das Volk Ägyptens empfunden haben.« Die Höflinge klatschten und schnatterten wie ein Schwarm dressierter Tauben.
    »Dann sei so gut und begleite uns zum Palast, wo man zu deinen Ehren ein Bankett geben wird.« Das hörte sich schon besser an. Sobald ich meine Füße wieder auf festen Boden gesetzt hatte, war mein Appetit zurück gekehrt. Begleitet von Trommel-, Flöten-, Sistrum- und Zymbelklängen durchschritten wir das Mondtor. Einige der Römer scharten sich um uns, und ich entdeckte ein bekanntes Gesicht. Es war ein Cousin aus dem Caecilischen Gens, der wegen seines roten Haares den Spitznamen Rufus trug. Er war nicht nur rothaarig, sondern auch noch Linkshänder und hatte mit dieser Kombination absolut keine Zukunft in der römischen Politik, so daß man ihn ständig zum Dienst im Ausland abkommandierte. Er klopfte mir auf die Schulter und hauchte mir eine Weinfahne ins Gesicht.
    »Schön, dich zu sehen, Decius. Hast du dich in Rom wieder mal unbeliebt gemacht?«
    »Die alten Herren haben entschieden, daß für mich der geeignete Zeitpunkt gekommen wäre, die Stadt zu verlassen.
    Clodius hat endlich seinen Übertritt zum Plebs durchbekommen und kandidiert jetzt als Tribun. Wenn er gewählt wird, kann ich auch im nächsten Jahr nicht nach Hause zurück kehren. Er wird zu mächtig sein.«
    »Das ist bitter«, sagte Rufus. »Aber du hast soeben den einzigen Ort auf der Welt gefunden, an dem du Rom nicht vermissen wirst.«
    »So gut?« fragte ich, und der Gedanke hellte meine Miene auf.
    »Unglaublich. Das Klima ist das ganze Jahr über wunderbar, jede nur erdenkliche Ausschweifung ist hier für billiges Geld zu haben, die öffentlichen Spektakel sind fantastisch, vor allem die Rennen, das süße Leben endet nicht, bloß weil die Sonne untergeht, und, Decius, mein Freund, du hast dir noch nie den Hintern küssen lassen, solange du ihn dir nicht von den Ägyptern hast küssen lassen. Sie glauben, jeder Römer ist ein Gott.«
    »Ich werde mich bemühen, sie nicht zu enttäuschen«, sagte ich.
    »Und die Straßen sind sauber. Nicht, daß du laufen mußt, wenn du nicht magst.« Er wies auf die Sänften, die uns direkt hinter dem Mondtor erwarteten. Ich gaffte wie ein Bauerntrampel, der zum ersten Mal das Capitol sieht.
    Ich war natürlich schon früher in Sänften getragen worden. Der Typ, den wir in Rom benutzten, wurde von zwei oder vier Trägern getragen und stellte eine langsame, aber würdevolle Alternative zum Stapfen durch Matsch und Müll dar. Diese Modelle waren etwas anders. Zunächst wurde jede Sänfte von mindestens fünfzig Nubiern getragen, die Stangen von der Länge eines Schiffsmastes schulterten. Es gab Sitzplätze für mindestens zehn Passagiere, die man über eine kurze Treppe erreichte. Auf diesen Plätzen saß man bei geschulterter Sänfte höher als die Fenster im ersten Stock der umliegenden Gebäude.
    Der Sitz, auf den man mich
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