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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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den beiden hindurch und sprintete in Richtung Palast.
    Während sie hinter mir Verstärkung herbei riefen, dachte ich, daß ich ernsthaft mit dem Laufen anfangen sollte. Das war bereits mein dritter harter Spurt an diesem Tag. Meine lange Pause in Simeons Haus hatte jedoch ihren Tribut verlangt.
    Meine Beine waren steif und müde und meine Bewegungen zittrig, als würde ich nach einer langen Seereise zum ersten Mal wieder Land betreten.
    Ich rannte an der königlichen Menagerie vorbei, wo Löwen und andere Raubtiere ein ohrenbetäubendes Gebrüll und Geheul anstimmten. Sklaven sprangen zur Seite, verschreckt von der Erscheinung mit dem wilden Blick und der geheimnisvollen Last. Dann sah ich vor mir die Treppe zum Thronsaal.
    Ptolemaios mußte hier irgendwo in der Nähe sein, und ich versprach Bacchus eine Ziege, wenn er nüchtern war.
    Ich stürmte die Treppe hinauf, mußte jedoch abrupt bremsen, als die Wachen sich in einer Reihe vor mir aufbauten, zwar mit erhobenen Schwertern, doch gleichzeitig mit dem Blick völliger Verunsicherung, den alle Soldaten haben, wenn sie mit einer unvorhergesehenen Situation konfrontiert werden.
    »Senator Metellus von der römischen Botschaft verlangt eine Audienz bei König Ptolemaios!« rief ich. Sie murmelten und scharrten mit den Füßen; dann näherte sich jemand durch den im Schatten liegen Porticus hinter ihnen. Doch es war nicht Ptolemaios. Es war Achillas.
    »Ergreift diesen Verrückten«, sagte er kühl. »Und bringt ihn rein.«
    Na gut, es war den Versuch wert gewesen. Glücklicherweise ist selbst eine Paraderüstung recht schwer, so daß ich bis zur römischen Botschaft immer ein paar Schritte Vorsprung hatte.
    Wenn die Sklaven und Schaulustigen schon auf meinem Weg zum Palast beiseite gesprungen waren, dann waren sie jetzt, angesichts all des spitzen, auf mich gerichteten Stahls, doppelt flink.
    Dann war ich in Sichtweite der römischen Botschaft. Aber es war nicht mehr die friedliche Kulisse, an die ich mich gewöhnt hatte. Auf den Stufen drängten sich Männer in Togen und Frauen in römischen Kleidern, sogar Kinder, die Jungen in purpurbesetzten Togen. Entscheidender jedoch war, daß vor ihnen eine Linie grimmig dreinschauender Soldaten mit gestreckten Lanzen Aufstellung genommen hatte. Ich war sicher, daß ich verloren war, bis ich die Form ihrer großen, altmodischen, ovalen Samniter-Schilde erkannte. Es waren römische Soldaten, keine Legionäre, sondern Marineangehörige.
    »Rettet mich!« rief ich. »Ich bin ein Senator!« Die Spitzen ihrer Speere schwankten keinen Zentimeter.
    »Verhaftet ihn!« brüllte Creticus vom Absatz der Treppe.
    »Fesselt ihn und bringt ihn her!« Die Reihe der Soldaten öffnete sich gerade so weit, daß ich hindurchschlüpfen konnte, und schloß sich dann glatt wieder. Hinter mir kamen die königlichen Wachen mit quietschenden Nagelschuhen zum Stehen. Hände packten mich und zerrten mich die Stufen hinauf. Eben noch war ich vor dieser Behandlung geflohen, jetzt mußte ich sie von meinen eigenen Landsleuten erdulden. Ich wurde, noch immer die Schriftrolle umklammernd, auf die Stufen vor Creticus' Füße geworfen.
    »Legt ihn in Ketten!« schrie Creticus. »Schlagt einen Pflock ein! Vielleicht müssen wir einen Priester auf treiben, um ihm dieses bösartige kleine Monster
    auszutreiben!« Er war sichtlich außer sich.
    »Wenn du dich einen Augenblick lang zusammenreißen würdest...«
    »Zusammenreißen?« kreischte er, und sein Gesicht lief dunkelrot an. »Zusammenreißen! Decius, hast du eine Vorstellung davon, was du angerichtet hast? Römische Bürger sind angegriffen worden! Ihre Häuser sind zerstört, ihr Besitz geplündert!
    Und warum? Weil du dich entgegen meinem ausdrücklichem Befehl aus der Botschaft geschlichen und eine Katze getötet hast! Eine Katze!« Ich glaubte, er würde einen Schlaganfall erleiden.
    »Ich habe Rom gerettet!« beharrte ich. »Zumindest einen großen, fetten Teil des Imperiums.«
    »Schluß mit dem Geschwafel! Holt die Ketten.«
    »Einen Moment!« Julia drängte sich an ihm vorbei, das Gesicht kalkweiß und angespannt. Sie kniete neben mir und wischte mir mit ihrem Schal den Schweiß vom Gesicht.
    »Decius, hast du diese Katze wirklich umgebracht?«
    »Keineswegs!« erklärte ich ihr. »Ich liebe die hinterhältigen kleinen Biester. Es war Ataxas. Er hat sie getötet und mich beschuldigt. Er hat alles angefangen, und ich habe hier die Beweise, sie alle mit einander zu verurteilen.«
    Sie stand auf und
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