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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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vorbeischickte, und dann wurde mir zu meinen Kopfschmerzen auch noch schwindelig.
    Ich sah auf mein Abzeichen hinunter, und unwillkürlich griff ich danach und berührte es mit meinem verschwitzten Finger, so daß die zu einem goldenen Schimmer aufpolierte Bronze einen Fleck bekam. Vor meinen Augen nahm mein Fingerabdruck ein mattes Orange an, und ich mußte daran denken, wie es wohl sein würde, mein goldenes und silbernes Abzeichen gegen ein kleines blechernes einzutauschen, das man als Rentner dann in irgendeiner Bar ein paar anderen alten Krauterern zeigen konnte, um ihnen zu beweisen, daß man mal bei der Polizei gewesen war. Aber diese Blechdinger ließen sich nie so polieren, daß sie die Sonnenstrahlen wie ein Spiegel reflektierten.
    Und dann ließ meine momentane Aufregung wieder nach und wich einer Angst, die mich fast erstickt hätte, bis ich sie endlich unter Kontrolle bekam. Das war einfach zuviel auf einmal. Das war sogar viel zuviel. Schon Cassie allein nahm mein Verantwortungsgefühl ganz erheblich in Anspruch, aber ich brauchte sie. Das hatte mir Cruz gesagt – und Socorro und der Hotelangestellte, der mich zu der Leiche geführt hatte. Und auch die halb verblödeten Sauköpfe in Harrys Bar hatten mir das gesagt. Ich brauchte sie. Ja, vielleicht – aber diese zusätzliche Verantwortung wollte ich mir nicht auch noch aufhalsen. Nein, dieses Kreuz wollte ich mir nicht auch noch aufladen. Nicht ich. Ich ging in den anderen Raum, wo der für Jugenddelikte zuständige Beamte saß.
    »Hören Sie mal«, sprach ich ihn an. »Dieser Junge wartet auf seinen Onkel. Ich habe seiner Schwester bereits alles Nötige erklärt und sie für Dienstag wieder hierherbestellt. Ich bin in der Stadt verabredet und sowieso schon spät dran. Könnten Sie sich nicht so lange um den Jungen kümmern? Den Papierkram werde ich dann später erledigen.«
    »Aber selbstverständlich, Bumper, kein Problem«, antwortete er, während ich mich über mich selbst wunderte, weil ich nach außen hin einen so ruhigen Eindruck machte.
    »Also, dann bis später, Kleiner«, verabschiedete ich mich von dem Jungen, während ich durch den Raum, in dem er saß, auf die Tür zum Korridor zuging. »Warte hier, bis du abgeholt wirst.«
    »Wo wollen Sie denn hin, Bumper?«
    »Ich habe noch einiges zu erledigen.« Ich versuchte zu grinsen. »Da draußen laufen noch viel zu viele Galgenvögel frei herum.«
    »Ach so. Hier ist übrigens unsere Telefonnummer. Ich habe sie Ihnen aufgeschrieben. Und vergessen Sie nicht, mal anzurufen.«
    »Weißt du, ich habe mir die Sache ein bißchen durch den Kopf gehen lassen. Unser Hausbesitzer ist ein ganz schöner Geizkragen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß der so ohne weiteres acht Dollar rausrückt. Wahrscheinlich würde für dich am Ende kaum etwas herausspringen. Der alte Knauser würde vermutlich ewig nicht zahlen.«
    »Das macht nichts. Geben Sie mir Ihre Adresse, dann kommen wir mal vorbei. Sie kriegen auf jeden Fall einen Sonderpreis von uns. Sie wissen ja, daß ich Ihnen ein paar Dollar Provision zukommen lassen könnte.«
    »Nein, lieber nicht. Das würde ja doch nichts bringen. Bis später!«
    »Wie wär's, wenn wir uns mal gemeinsam ein Baseballmatch ansehen würden, Bumper? Ich würde die Karten besorgen.«
    »Ich weiß nicht recht. Eigentlich halte ich in letzter Zeit immer weniger von den Dodgers.«
    »Halt, warten Sie noch!« Er sprang von seinem Stuhl auf. »Wir machen Ihnen Ihren Garten für vier Dollar, Bumper. Stellen Sie sich das mal vor! Für vier Dollar! Für uns bedeutet das etwa drei Stunden Arbeit. Ist das etwa kein Angebot?«
    »Tut mir leid, Kleiner«, erwiderte ich kleinlaut, während ich wie eine dicke Krabbe zur Tür wackelte.
    »Warum haben Sie mich dann überhaupt darauf angespitzt? Warum sagen Sie nur ›vielleicht‹?«
    Ich kann dir nicht helfen, mein Junge, dachte ich resigniert. Ich kann dir nicht geben, was du brauchst.
    »So ein Mist!« brüllte er mir nach, und seine Stimme brach. »Sie sind genau wie die anderen Bullen!«
    Mit einem Gefühl, als hätte mich jemand in den Bauch getreten, ging ich zu meinem Wagen zurück und fuhr in die Stadt. Ich sah auf die Uhr und stöhnte. Wann würde dieser Tag endlich zu Ende gehen?
    In der Figueroa, Ecke Pico, sah ich einen Blinden mit einem weißen Stock, der gerade in einen Bus steigen wollte. Ein Mann in einem eleganten Anzug packte den Blinden am Ellbogen, um ihm dabei zu helfen, worauf dieser etwas zu ihm sagte und ohne
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