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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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gar nicht gemerkt, daß ich gegrinst habe. Ich habe nur an das gedacht, was diese beiden Männer vorhin gesagt haben, als Sie aufs Klo gegangen sind.«
    »Wieso? Was haben sie denn gesagt?«
    »Ach ja, was Sie eben für ein toller Polizist wären.«
    »Tatsächlich?« murmelte ich und kritzelte meine Initialen auf ein paar von den Aufputschpillenschachteln, damit ich sie wiedererkannte, falls dieser Fall vor Gericht kommen sollte. Mir war jedoch klar, daß das nicht passieren würde. Ich würde beantragen, daß der Junge wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
    »Du wirst am Dienstag mit deiner Schwester hier aufkreuzen müssen. Aber ich bin sicher, daß dich der Untersuchungsrichter wieder auf freien Fuß setzen wird.«
    »Ich bin doch schon zweimal eingebuchtet worden, weil ich von zu Hause abgehauen bin. Das ist ja nicht das erstemal, daß ich mit der Polizei zu tun habe.«
    »Mach dir deswegen mal keine Sorgen. Du wirst schon nicht vor Gericht gestellt werden.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Die werden genau das tun, was ich ihnen sage.«
    »Diese beiden Beamten vorhin meinten ja auch, Sie wären ein ganz toller Hecht. Kein Wunder, daß Sie mich so schnell geschnappt haben.«
    »Na ja, du warst ja auch wirklich kein schwerer Fang.« Ich schob die Pillen in einen Umschlag und verschloß ihn.
    »Da haben Sie allerdings recht. Erinnern Sie mich übrigens daran, daß ich Ihnen die Telefonnummer von meinem Boß gebe, wegen des Gartens. Leben Sie eigentlich mit Ihrer Familie?«
    »Nein, ich lebe allein.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Vielleicht können wir Ihnen den Garten zu einem Sonderpreis machen. Sie wissen schon – weil Sie Polizist sind und so.«
    »Vielen Dank, das ist wirklich nett von dir. Aber du solltest ruhig den vollen Preis verlangen.«
    »Haben Sie nicht gesagt, Sie stünden auf Baseball, Bumper?«
    »Ja, genau.« Ich hörte kurz zu schreiben auf, weil der Junge so aufgeregt wirkte.
    »Mögen Sie die Dodgers?«
    »Aber klar.«
    »Ich wollte immer schon ein bißchen mehr über Baseball wissen. Maury Wills ist doch bei den Dodgers, oder nicht?«
    »Ja.«
    »Ich würde gern mal zu einem Spiel der Dodgers gehen und Maury Wills sehen.«
    »Warst du denn noch nie bei einem richtigen Spiel?«
    »Nein. Aber wissen Sie was? In unserer Nähe wohnt ein alter Mann. Ein fetter alter Knacker. Der ist sicher noch älter als Sie und ganz bestimmt auch fetter. Und der geht jedes Wochenende mit seinem Sohn auf den Schulhof und wirft ihm die Bälle zu. Und während der Spielzeit sehen die beiden sich praktisch jede Woche ein Spiel an.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, und wissen Sie, was das Beste an dem Ganzen ist?«
    »Was?«
    »Das tut dem Alten richtig gut. Wissen Sie, der Junge tut ihm einen Gefallen, wenn er mit ihm Ball spielt und ihn ein bißchen auf Trab hält …«
    »Ich ruf jetzt mal besser deine Schwester an«, unterbrach ich ihn. Ich merkte, wie mein Magen plötzlich heftig zu revoltieren begann. Außerdem wurde mir etwas schwindlig von den Gedanken, die plötzlich durch meinen Kopf schossen, so daß ich beschloß, mir das Ganze lieber noch einmal in Ruhe zu überlegen. Der Junge gab mir die Nummer seiner Schwester, und ich griff zum Hörer und wählte sie.
    »Niemand zu Hause, Kleiner«, sagte ich nach einer Weile und legte wieder auf.
    »Verdammte Scheiße! Müssen Sie mich einlochen, wenn Sie meine Schwester nicht finden?«
    »Ja, leider.«
    »Könnten nicht Sie mich zu Hause vorbeibringen?«
    »Nein, das geht nicht.«
    »Scheiße! Dann rufen Sie doch in Ruby's Playhouse auf der Normandie an. Die machen dort immer ziemlich früh auf, und Slim hängt dort häufig rum.«
    Ich rief also in Ruby's Playhouse an und verlangte nach Sarah Tilden. So hieß seine Schwester.
    »Big Blue«, flüsterte mir der Junge zu. »Verlangen Sie nach Big Blue.«
    »Ich hätte gern Big Blue gesprochen«, verbesserte ich mich, und nun wußte der Barkeeper sofort Bescheid.
    Eine heisere junge Stimme meldete sich. »Ja, wer ist da?«
    »Hier spricht Officer Morgan von der Los Angeles Police. Miß Tilden, ich habe eben in der Innenstadt Ihren Bruder verhaftet. Er befand sich im Besitz gefährlicher Aufputschpillen. Würden Sie bitte in die Georgia Street, Hausnummer dreizehndreißig, kommen und ihn abholen? Das ist südlich vom Pico Boulevard, in der Nähe der Figueroa.«
    Am anderen Ende der Leitung trat für eine Weile Schweigen ein, bis sie schließlich sagte: »Das hat ja gerade noch gefehlt. Sagen Sie diesem Lausebengel, er
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